Hallo,
Ludwig Reim, der eng mit Theo Matschewsky zusammen arbeitete hat schon 1996 eine Vermessungsmethode entwickelt. Hier nachzulesen, 1 Artikel aus "Mit der Fliege".
Leider lässt sich die Gewichtsaufteilung nicht reinkopieren. Wer mehr wissen will, schaue unter
www.solitip.de Tips und dort 15 Grad Vermessung nach.
Beste Grüße
Fjorden
Der 15° Speed
Auf jeder Fliegenrute befinden sich im Beschriftungsfeld über dem Rutengriff diverse Angaben über Typ, Länge und Eigenschaften der Rute. Unter anderem findet sich dort auch der Hinweis auf die »empfohlene Schnurklasse«. Doch, was heißt das eigentlich konkret und vor allem, wie wurde diese Rutenklasse bestimmt?
Bis heute verlassen sich die meisten Blankhersteller und Rutenbauer auf ihr Gefühl. Im Klartext heißt das: ein Blank-Prototyp gelangt von der Fertigungshalle in die Qualitätskontrolle.
Dort wird er von Hand zu Hand gereicht, Fachleute schwingen ihn und schnalzen mit ihm, um dann ein Urteil über den Steifheitsgrad und die Rückstellkraft abzugeben. Beim nächsten Schritt wird die Rute aufgebaut und mit verschieden schweren Schnüren bestückt geworfen. Wieder sind Experten gefragt, die ihr Urteil abgeben. Aus den Meinungen wird eine Empfehlung geformt, der Blank bzw. die Rute geht in Serie. Der Käufer verläßt sich natürlich auf diese Angaben und ist mehr oder weniger zufrieden.
Szenenwechsel
Stellen Sie sich vor, Sie stehen im Entwicklungszentrum für Automotoren. Sie beobachten, wie ein Testfahrer in ein Testauto steigt, den Motor aufheulen läßt und mit quietschenden Reifen beschleunigt. Nach ein paar Runden übergibt er das Fahrzeug dem nächsten Experten. Am Ende der Testfahrt wird beraten, wieviel PS der neue Motor hat und das wird dann in die Papiere geschrieben.
»Lächerlich!«, sagen Sie vielleicht zu diesem Beispiel. Aber mit Verlaub: es handelt sich bei dem Beispiel mit dem Auto um nichts anderes als um einen treffenden Vergleich zur gängigen Praxis der Fliegenruten-Beurteilung. Selbst in unsererer heutigen High-Tech-Zeit werden Ruten noch so klassifiziert.
Viele Fragen sind zu beantworten. Ludwig Reim überzeugt durch fachkundige Argumente
Erfindergeist
Als Entwicklungsingenieur einer großen Firma war Ludwig Reim während seines Arbeitslebens hauptsächlich damit beschäftigt, den Sachen auf den Grund zu gehen. Er hätte wohl nie tausende von Problemlösungen teils bis zur Patentreife bringen können, wenn er sich auf Schätzungen und Ungenauigkeiten verlassen hätte. Bei ihm zählen auch heute nur Fakten.
Vor mehr als einem Jahrzehnt stellte er eine neue unkonventionelle Art von gespliessten Ruten vor: die »Oktavia«. Die Bauart dieser Rute wurde pantentiert. Um den Beweis zu erbringen, daß seine Oktavia eine wesentlich höhere Rückstellgeschwindigkeit erzeugt als herkömmlich gespliesste Ruten, entwickelte er ein Verfahren, die Schnellkraft zu messen. Bei diesem Meßverfahren sollten variable Elemente, wie z.B. verschiedene Wurftechniken unterschiedlicher Leute, unberücksichtigt bleiben. Es sollte nur ermittelt werden, was die Ruten aus sich heraus leisten können. Hierzu konstruierte er eine elektronische Meßvorrichtung.
Um die Aussagekraft seiner späteren Messungen zu untermauern, begann erst eine Phase von Beobachtungen. Unzählige Videos und Fotos wurden studiert und die Biegungskurven der Ruten bei verschiedensten Situationen akribisch vermessen.
Das Ergebnis war erstaunlich: Der Mittelwert aus allen Ergebnissen ergab, daß sich die Rutenspitze bei einem durchschnittlichen Wurf um 15° von der Längsachse der Rute wegbewegt (spannt).
Diese 15°-Auslenkung ist nahezu unabhängig von der Klasse und dem Material der Rute. Egal, ob Gespliesste, oder Kohlefaserrute, ob Klasse 4 oder 8, sie ist bei allen Ruten fast gleich. Deshalb wurden diese 15° als einzige Konstante in der Reim¹schen Meßmethode festgelegt und gaben ihr auch den Namen: »Elektronische 15°-Speed-Messung.«
Ermittlung der Schnurklasse
Würde man einfach eine beliebige Rute auf 15° vorspannen und die Zeit messen, die die Spitze benötigt, um in die Ursprungsposition zurückzuschnellen, hätte das Ergebnis keine Aussagekraft, denn es fehlt ein ganz wichtiger Faktor: das Gewicht der Schnur. Wie beim richtigen Wurf muß auch bei der Vermessung das zu beschleunigende Schnurgewicht mit einbezogen werden.
In der Praxis bewegt sich die Wurfdistanz zwischen 12 und 18 Metern. Der Mittelwert ist 15 Meter. Wiegt man nun die ersten 15 Meter einer Flugschnur (DT), resultiert ein Gewicht in Gramm. Je nach Schnurklasse ist dieses Gewicht unterschiedlich. Dieses Gewicht muß von der Rute beim Wurf beschleunigt werden.
Die Messung beginnt
Die Rute wird in einer Haltevorrichtung waagerecht eingespannt. Anschließend wird die Schnurklasse ermittelt, indem die Rutenspitze mit Gewichten belastet wird, bis sie sich auf den »Statischen Weg« durchbiegt. Der Statische Weg resultiert aus einer anerkannten und gebräuchlichen Formel für Statikberechnungen. Er beträgt immer 1/4 der dynamischen Meßstrecke.
Bis zu diesem Punkt wird keinerlei elektronisches Gerät benötigt, sondern nur eine geeignete Halterung für die Rute, ein Maßband oder Meterstab, variable Gewichte und eine Waage. Jeder kann mit diesen einfachen Mitteln die exakte Schnurklasse seiner Rute(n) selbst bestimmen.
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Ermittlung der Rückstellkraft
Mit dem jeweiligen Gewicht an der Spitze wird nun die Rute auf die »Dynamische Meßstrecke« von 15° gespannt. Anschließend wird die Zeit gemessen, die die Rute braucht, um diese Meßstrecke zurückzulegen. Diese Zeit bewegt sich immer im Millisekunden-bereich und kann nur mit einer elektronischen Meßvorrichtung festgehalten werden.
Anhand einer einfachen Formel wird die ermittelte Zeit in Relation zur Dynamischen Meßstrecke umgerechnet, sodaß ein anschaulicher Wert in »Metern pro Sekunde« resultiert. Ähnlich einer Radarmessung gibt dieser Wert an, mit welcher Geschwindigkeit die Rute die Nullinie erreicht.
Ludwig Reim in Aktion an der Messanlage
Der Speedfaktor
Setzt man nun auch noch die Geschwindigkeit (m/sec) in Relation zur Aktionslänge (Länge gemessen von der Spitze bis zur Griffoberkante), so kann man den Charakter von Ruten unterschiedlicher Länge miteinander vergleichen. Je höher der Speedfaktor, desto schneller ist die Rute.
Man kann diesen Speedfaktor in 3 Gruppen einteilen. Bis Speedfak-tor1,6 handelt es sich um langsame Ruten. Liegt der Speedfaktor zwischen 1,7 und 2,2, handelt es sich um mittelschnelle Ruten und bei einem Speedfaktor von über 2,2 spricht man von schnellen Ruten. Der Begriff »Schnelle Rute« ist damit erstmals genau deffiniert!
Der praktische Nutzen
Durch die 15°-Speed-Vermessung ist es endlich möglich, die exakten Leistungsmerkmale von Fliegenruten festzustellen. Anhand dieser Methode ist es möglich, Ruten der gleichen Länge direkt miteinander zu vergleichen. In der Qualitätskontrolle von Serienblanks des gleichen Typs können damit Ferti-gungstoleranzen ermittelt werden.
Vermessen statt vermuten
Der Speedfaktor steht in direktem Zusammenhang mit der Biegungskurve der Rute. Je höher der Speedfaktor, desto mehr Spitzenaktion. Je kleiner der Speedfaktor, desto parabolischer die Biegungskurve. Seit Jahren ist die 15°-Speed- Meßmethode von Ludwig Reim bei Experten anerkannt. Auf etlichen Messen und Fliegenfischertreffen wurden in den letzten Jahren hunderte von Fliegenruten vermessen und die Zweifel selbst hartnäckigster Kritiker entkräftet.
Aus dem Magazin "Mit der Fliege 1/97"