eigentlich wollte ich immer schon mal was über das Fliegenwerfen schreiben. Das Problem hierbei ist, dass es sich um Physik (Mechanik, Dynamik etc) handelt - und ich davon schlichtweg keine Ahnung habe, von einem “gesunden Halbwissen” zu sprechen, wäre schlichtweg geprahlt. Andererseits trifft das auch auf manch andere zu.
Einmal im Jahr hole ich zum Beispiel das wirklich sehr schöne Buch “Der perfekte Wurf im skandinavischen Stil” von Henrik Mortensen aus dem Regal, in dem er unter anderem längere Ausführungen zur “Rutenladung” macht, die in folgende Feststellung münden: “Je stärker die Rute gebogen war, desto mehr Energie wird beim Entladen wieder frei und desto mehr Kraft und damit Geschwindigkeit erhält die Fliegenschnur (aaO, S. 24)”. Hört sich beim ersten Lesen irgendwie gut an, mit den Worten Biegung, Kraft, Geschwindigkeit kann ich als Laie was anfangen, das Ganze unter dem Stichwort “Rutenladung” eingeordnet, toll.
Aber stimmt das denn? Zweifel können aufkommen, wenn man sich fragt, was eigentlich geworfen wird: Werf ich die Rute oder werf ich die Schnur (mit der Fliege hinten dran)? Ist die Rute - ebenso wie mein Arm, ohne den auch nix geht - vielleicht nur Mittel zum Zweck, nämlich dem Zweck, die Fliegenschnur mit einer bestimmten Geschwindigkeit in eine bestimmte Richtung zu werfen??? Müsste es dann nicht eher “Schnurladung” als “Rutenladung” heißen??
Relativ eindeutig wird die Sache, wenn man sich folgende Szenarien vorstellt:
1.
Ich steht im Fluss, 2Hand in der Hand, hab eben einen Fisch verloren, der bis ins Backing gegangen ist. Stromab unterhalb der Rutenspitze befinden sich also Fliege, Vorfach, Schusskopf, Runningline und 10 m Backing und treiben so vor sich hin. Frustriert wie ich bin, will ich - ohne vorher einzukurbeln - einen Rollwurf machen, schleppe also an, Rutenspitze ist oben hinter mir, jetzt der Vorschwung, ich zieh voll durch, Rute ist toll gebogen und es passiert - NIX! Es passiert gar nichts, das Backing wuselt vielleicht 50 cm durch die Gegend, das war es aber auch schon.
Rutenladung: 100%
Schnurladung: 0%
2.
Ich kurbele etwas ein, stromab unterhalb der Rutenspitze befinden sich also Fliege, Vorfach, Schusskopf und 10 m Runningline. Der nächste Rollwurf, wieder anschleppen, Rutenspitze ist oben hinter mir, jetzt der Vorschwung, ich zieh voll durch, Rute ist toll gebogen und es passiert - fast NIX! Die Runningline bewegt sich vielleicht 1 m stromabwärts, das war es aber auch schon.
Rutenladung 100%
Schnurladung 10% ?
3.
Dritter Versuch, ich kurble bis zum Schusskopf ein, wieder anschleppen, Rutenspitze ist oben hinter mir, jetzt der Vorschwung, ich zieh voll durch, Rute ist toll gebogen - und es passt! Schusskopf, Vorfach und Fliege lösen sich vom Wasser und fliegen elegant wieder stromab.
Rutenladung 100%
Schnurladung 100%
Nun kommt der geneigte Leser für sich selbst zu dem Ergebnis, dass das mit der "Rutenladung" vielleicht nicht so richtig stimmen kann - und?
Bricht hierdurch eine Welt zusammen?
Nö, irgendwie weiß auch so jeder Leser, was H.M. meint, auch wenn die Erklärung physikalisch betrachtet nicht sooo richtig sein kann.
Und weil das alles nicht so richtig wichtig ist, kann ich euch verraten, dass ich am Wochenende das letzte Geheimnis des Fliegenfischens gelüftet habe! :grin:
Über Jahre hinweg wird einem eingetrichtert, dass es um das Werfen schöner Schlaufen (Loops) ginge!
Völlig falsch, es geht nämlich um das Werfen schöner Wellen!
Wenn ich meine bahnbrechende Entdeckung

Beim Überkopf-Wurf werfen wir mindestens zwei "Solitär-Wellen" (Rückschwung, Stop = Welle, Vorschwung, Stop = Welle), bei Leer-Würfen entsprechend mehr, hier sieht man Hunderte:

Bei Wasserwürfen hingegen werfen wir die gefürchtete Doppel-Welle:
Welle Nr. 1 ist das "D" oder "V", der Knick zwischen upper leg und lower leg, der irgendwo in der Mitte des Schusskopfes liegen kann.
Welle Nr. 2 ist der normale "Loop", der sich nach dem vorderen Stop im Bereich der Rutenspitze bildet, so wie bei der Einhand-Werferei.
Und weil ich mich jetzt einfach mal ins Blaue hinein zum Entdecker dieser Doppel-Welle ausgerufen habe, nenn ich sie in aller mir gegebenen Bescheidenheit die "Martins-Wellen", klingt jedenfalls gut!!
Stimmt das denn mit den Wellen? Keine Ahnung, aber ein paar Eigenschaften der Welle lassen sich entspannt auf das Fliegenfischen übertragen, wozu ich gerne noch was schreibe (wenn ich nicht vorher in der Luft zerrissen werde....).
Grüsse
ps.:
Ich hatte Jürgen schon von meiner bahnbrechenden Entdeckung geschrieben, ihm jedoch nur ein müdes Lächeln entringen können. Andererseits: Was weiß Jürgen als Ozeanologe schon von Wellen..... :grin: