Die letzten beiden Jahre machte war der Name „Chatonella“ in alle Meerforellen-Angler Munde. Dass die Fischerei dieses Jahr so viel besser verläuft und es keine sichtbaren Algenprobleme gibt, verdanken wir möglicherweise nur dem stärksten Salzwassereinbruch in die Ostsee seit über 10 Jahren. Die Ursache für die vielfältigen Algenprobleme der Ostsee, die Überdüngung, ist dadurch keinesfalls behoben. Auch die stetig wachsenden Blaualgenteppiche und sauerstoffreien „Todeszonen“ werden dadurch nur kurzfristig gebremst.
Quelle der Eutrophierung sind die Zuflüsse der Ostsee, in deren Einzugsgebieten die intensivsten Landwirtschaften der Welt Unmengen Düngemittel aus der Tierproduktion verteilen.
Wer von uns kennt sie nicht - die riesigen, rollenden Güllefässer Jütlands und Fünens? Auch dieses Frühjahr war der Geruch der ausgebrachten Gülle wieder allgegenwärtig und die Traktoren mit ihrer Fracht ein ständiger Begleiter auf den kurzen Wegen zum Wasser.

Die dänische Schweineproduktion ist eine der, wenn nicht sogar DIE absolut effektivste der Welt. Unterschiedliche Quellenangaben beziffern den dauerhaften Bestand an Dänemarks Schweinen auf bis zu 13,5 Mio Stück, wobei derzeit jährlich rund 17-19 Mio Schweine geschlachtet und zwischen 4,3 und 6,5 Mio lebender Schweine exportiert werden (je nach Quellenangabe). Im Jahr 2010 wurden insgesamt 1.970.000 Tonnen (Tonnen, nicht Kilogramm) Schweinefleisch aus Dänemark exportiert. Der Export von Schweinefleisch macht ca. 5 % der dänischen Gesamtausfuhren aus und hat einen Gegenwert von ca. 3,7 Mrd. Euro.
In einer Broschüre des Dänischen Schlachterei-Verbands (Dansk Slagterier) wird ausdrücklich auf die stark verbesserte Ökobilanz dänischer Schweineproduktions-Betriebe und ihrer herausragenden Effizienz im internationalen Vergleich hingewiesen. So konnten seit 1985 die Stickstoff- und Phosphor-Emissionen um deutlich über 40 % (je nach Rechnung um bis zu 59 %), sowie der Kunstdünger-Einsatz um gut 50 % gesenkt werden.
Man muss dabei jedoch berücksichtigen, dass im gleichen Zeitraum die Produktion von Schweinefleisch um etwa 80 % gestiegen ist. Über die Menge der dabei anfallenden Gülle gibt es keine verlässlichen Angaben.
In einer Publikation von GÜTTE et. al 1979 ist nachzulesen, dass selbst bei optimalen Wachstumsvoraussetzungen in der Mast nur etwa „11 % der umsetzbaren Futterenergie im Muskelfleisch des Mastschweins erscheinen“ und annähernd 90 % wieder ausgeschieden werden. Aber auch trotz der modernen Fütterungs- und Haltungsmethoden (z.B. Zufütterung freier Aminosäuren, Bau moderner Klimaställe, etc.) haben sich diese Zahlen auch heute nicht gravierend verändert.
Ein 100 kg schweres Schwein besteht zu etwa 51 kg aus wertvollem Muskelfleisch und zu etwa 29 kg aus Fett, Knochen und Sehnen.
Anders ausgedrückt entstehen in der Mast für ein Schwein von 100 kg Lebendgewicht etwa 880 Liter Gülle, für jedes 200gr Schweineschnitzel (Anteil hochwertiges Fleisch rund 51 %) rund 3,71 Liter Gülle und für jede 100g Schweinewurst-Packung (Anteil Schlachtwaren rund 80 %) etwa 1,1 Liter Gülle.
100 kg lebendes Schwein = 880 L Gülle!
200 gr Schnitzel = 3,71 L Gülle!
100 gr Wurst = 1,1 L Gülle!
Berechnet man die äquivalente Güllemasse des gesamten exportierten Schweinefleischs (1 kg Schlachtwaren = 11 L Gülle, also 1 Tonne Schlachtwaren = 11 m³ Gülle), so ergibt sich eine Summe von:
1,97 Mio / a x 11 m³ Gülle = 22 Mio m³ Gülle/ a

Der Anteil der Landwirtschaftlichen Nutz-Flächen (LNF) in Dänemark lag in 2010 bei rund 26630 km² (1 km² = 1.000.000 m²).
Es ergibt sich also eine Gesamtmenge von 826 m³ Gülle pro km² LNF (Ackerland + Grünland), oder einfacher gesagt rein rechnerisch eine Güllelast von ca. 0,6 L / m²
Und hierbei handelt es sich lediglich um den Gülleanteil der in Dänemark geschlachteten und exportierten Schweine. Hinzu kommen die nicht-exportierten geschlachtenen Schweine (keine Angabe), sowie der Bestand an lebenden Schweinen (ca. 13,5 Mio Stück) und die Menge an lebenden Export-Schweinen (ca. 6,5 Mio Stück) - don´t get confused!

Die durch die Schweineproduktion verursachte jährliche Güllefracht liegt daher bei bis zu:
2 L/ m²

Bei der Berechnung dieser Zahlen gibt es sicherlich diverse Ungenauigkeiten und kleinere Rechenfehler. Man sollte jedoch dabei berücksichtigen, dass es neben der Schweineproduktion noch einen Bestand von 1,5 Mio Stück Weidevieh und ca. 17,5 Mio Stück Geflügel gibt, deren Exkremente in dieser Rechung überhaupt nicht erfasst werden.
Auch versteht es sich von selbst, dass die reale Verteilung der Gülle auf die Flächen in der Praxis anders aussieht (abzüglich ungedüngte Brachflächen, Wiesen/ Weiden, Betriebsflächen, etc.). Zudem gibt es je nach Nutzungsart und Anbaugebiet andere Flächen die zusätzlich oder ausschließlich mit Kunstdünger gedüngt werden.
Eigenen Beobachtungen zufolge verteilen die Landwirte ihren 20 m³ Gülle-Tank auf einer Fläche von etwa 1-2 Hektar (entspricht 1-2 L / m²) mehrfach im Jahr. Tatsächlich werden dadurch viele Flächen vermutlich mit einem zweistelligen Literwert Gülle pro Quadratmeter je Jahr belastet.
Indes sind viele im Internet nachzulesenden Zahlen verwirrend oder auch unvollständig.Wir verwirrend das mitunter sein kann, zeigen zwei ausgesuchte Zitate:
„Der umfassende Export nach Deutschland ist primär auf die starke Zunahme bei Lebendtieren (in erster Linie Ferkel) zurückzuführen, die 2008 insgesamt über 200.000 Tonnen ausmachten. Das Fleisch dieser Tiere wird als deutsches Produkt betrachtet, wenn die Tiere in Deutschland geschlachtet werden. (Quelle: Agrarheute.com, http://www.agrarheute.com/deutschland-bleibt-an-spitze )“
„Dass unsere Exportzahlen höher sind als die Produktion, liegt daran, dass wir Schweinefleisch importieren, um es danach wieder zu exportieren. Wir exportieren also Schweinefleisch, das wir nicht selbst produziert haben. Darüber hinaus sind Produktgewicht und Schlachtgewicht unterschiedlich.
Außerdem hat der Ferkelexport Auswirkungen auf die Gesamtbilanz: Wenn Ferkel als Schlachtgewicht erfasst werden, wiegen sie weniger als letztendlich im Produktgewicht angegeben. (Quelle: Agriculture&Food, http://www.agricultureandfood.de/Schwei ... 3xITdk0iSo )”
Und wir? Bei uns in Deutschland sieht es kein Stück anders aus. Die Zahlen sind noch nicht veröffentlicht, aber vermutlich haben wir in 2011 die Dänen als Schweinefleisch-Exportweltmeister abgelöst. Erschwerend kommt hinzu, dass wir obendrein noch der Hauptabnehmer für dänische Schweineprodukte sind – allein etwa 30 % des dänischen Schweinefleischs werden nach Deutschland exportiert.
Der „Deutsche“ hatte in den vergangenen Jahren einen durchschnittlichen Verbrauch von über 54 kg Schweinefleisch pro Jahr. Es verbietet sich also von selbst, in irgendeiner Art und Weise unsere freundlichen Nachbarn zu verurteilen.
Die einzige Möglichkeit die Gülleproduktion langfristig zu senken, liegt im Verzicht auf Fleisch. Denn nur wenn die Nachfrage sinkt, wird mittel- bis langfristig auch die Produktion sinken. Und auch dann wird es noch Jahre dauern, bis die Belastungen von einst im Ökosystem abgebaut wurden.
Dass in Dänemark heute nur noch etwa 3 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig sind zeigt deutlich, dass es sicher auch alternative Möglichkeiten geben könnte. Immerhin macht die Schweineproduktion nur rund 1,6 % an der Brutto-Inlandsproduktion aus. Solange aber der Bedarf für Schweinefleisch besteht, würde sich die Problematik bestenfalls geograhisch verlagern. Eine langfristige Lösung bietet schlussendlich wohl nur der Verzicht, damit nicht noch mehr Gülle die Hänge runter in die Ostsee gespült wird...
Gülle, die unmittelbar nach dem Ausbringen vom Acker, entlang der Straße direkt in einen Entwässerungsgraben läuft.

Und am Fuße der Hügel, ruht die Ostsee...

EDIT:
Richtig interessant wird´s, wenn man die Landwirtschaft dem Tourismus gegenüberstellt. Die Recherche in diesem Bereich gestaltet sich zwar extrem schwierig, aber ich hab doch die ein oder andere Zahl gefunden.
Es stellt sich die Frage, inwieweit es aus ökonomischer Sicht betrachtet für Dänemark alternative Möglichkeiten zur intensiven Schweineproduktion gibt? Denn immerhin beträgt der Anteil am BIP der gesamten Landwirtschaft nur etwa 2,3 % (2010) bzw. der Anteil der Schweineproduktion sogar nur 1,6 %, gegenüber rund 8 % Anteil der Tourismusbranche (2008) mit steigender Tendenz. Auch die Überschüsse aus der Leistungsbilanz 2010 von ca. 10 Mrd Euro sind vor allem auf die stark angewachsenen Tourismus-Einnahmen der letzten Jahre zurückzuführen.
Ein sicherlich nicht unerheblicher Teil der deutschen Touristen kommt doch insbesondere wegen der fischereilichen Vorzüge der dänischen Gewässer - nicht wahr?!? :grin:
Es erscheint daher zumindest fraglich, ob man diesen Tourismuszweig, durch eine Landwirtschaftspolitik zum Nachteil der fischereilichen Entwicklung, langfristig ignorieren bzw. dezimieren kann und will?!?

EDIT: Im Anhang der Bericht in ordentlicher Form mit Quellenangaben. Zur Verbreitung freigegeben! 8)
Oder auch zum Download hier: Klick-Klack (1,36 MB)