Voriges Wochenende bei der Lachskartierung an der Ahr fiel es mir dann wie Schuppen von den Augen: "Junge, so klares Wasser wirst Du vermutlich nie wieder erleben!" In der Ahr hat es seit dem Sommer kein Hochwasser gegeben - hat es seit April überhaupt geregnet?!? Das Wasser ist glasklar, selbst die für deutsche Mittelgebirgsgewässer sonst so typische mineralische Feinsediment-Trübung scheint nicht mehr vorhanden. Wie oft hab ich genau diese verflucht, weil sie Fotografieren mit Blitz nahezu unmöglich macht(wie Fernlicht im Nebel). Und jetzt?!? Das schreit nach einem Versuch!
5,2° Wassertemperatur zeigt der Tauchcomputer. Der Tauchgang beginnt daher trotz meines Trockentauchanzugs mit einem eher sommerlich anmutenden Gefühl: Kopfschmerzen!
Kopfschmerzen wie sie etwa entstehen, wenn man zuviel Eis zu schnell in sich reinschaufelt. Es treibt mir die Tränen in die Augen, was nicht ganz unproblematisch ist in der Tauchmaske. Erst gut und gerne 3-4 Minuten später (anders als beim Eis-Essen) hat sich mein Körper dann an den Schmerz gewöhnt, ist mein Gesicht gewissermaßen betäubt. Nach dieser gefühlten Ewigkeit bin ich dann wieder voll konzentirert, meine Augen einsatzbereit und ich kann mich endlich meinem heutigen Vorhaben widmen.
Die Sicht ist atemberaubend - ich kann fast einmal quer durch die Ahr blicken. Das sind an dieser Stelle sicher gute 5-6 Meter! Selbst für ein Stillgewässer wären das wirklich gute Verhältnisse. Ich kann es kaum glauben...
Während die meisten Forellen auf den Laichgruben stehen, sammeln sich die Barben zu dieser Jahreszeit schon in größeren Trupps in den tiefen Pools und warten auf den bevorstehenden Winter. Und die Ahr ist reich an Barben - in nahezu jedem größeren Pool tummeln sich gleich etliche, teils kapitale Fische. Je größer der Pool, desto mehr und größer die Barben - so scheint es mir jedenfalls. Nutzt aber nichts! Denn je größer der Pool, desto mehr Platz haben die Fische auch mir und meiner Kamera auszuweichen.
Also suche ich mir einen kleinen Pool der stromauf und stromab schmal zusammenläuft und jeweils in eine äußerst flache Rausche übergeht. Ideale Bedingungen für mich, da die Fische mir so nicht abhauen werden. Es wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben, als sich an mich zu gewöhnen...
Erfahrungsgemäß dauert dass bei Fischen in Fließgewässern so etwa 20 bis 30 Minuten, je nach Art und Nervosität. Zeit genug mich in Ruhe in Position zu bringen. D.h. ich suche mir einen Platz im Pool, an dem ich mich gut verkeilen/ festhalten kann (der Strömungswiderstand eines Tauchers ist leider vergleichbar mit dem eines Scheunentors) und teste mit einigen Probeschüssen die Belichtung. Kleinfische wie Schneider und Elritzen sind dabei gute Testobjekte, da diese lange nicht so nervös auf mich reagieren - ebenso wie unbewegte Objekte wie eine halbvolle Flasche "Cool Up" (welche Frevel in einer solchen Weinbauregion!).

Blick aus 3,3m an die Oberfläche


Der Platz erscheint mir jedoch ungeeignet. Zu weit hinten im Pool liege ich, denn ich kann die Fische weiter vorne im Pool bestenfalls erahnen. Vorsichtig beginne ich mich mit Minimalvortrieb gegen die Strömung vorzuarbeiten - ich will die Fische ja nicht aufschrecken.
Einige dicke Döbel rauschen Vollgas an mir vorbei und suchen das Weite. Mir gelingen nur unscharfe Aufnahmen der scheuen Gesellen...

Ich bin nun etwa 10 Minuten im Wasser, als ich zu meiner Überraschung einige kleine und mittelgroße Äschen erblicke. Bestimmt 10 Stück haben sich hier im träge fließenden Wasser des Poolausgangs versammelt. In nur 2m Entfernung von mir steigen einige von Ihnen an die Oberfläche, andere nymphen am Grund. Toll, aber leider zu weit weg für den von mir gewählten Weitwinkel der Kamera. Eine von Ihnen kommt tatsächlich kurzfristig in Schussweite - dreht aber in dem Moment ab, als ich den Auslöser betätige. Schade...

Dann entdecke ich plötzlich unmittelbar vor mir eine Bachforelle! Auch wenn sie äußerst ruhig liegen bleibt, gelingt mir zunächst nur ein "Schwanzbild". Der Fisch scheint bereits abgelaicht zu haben und ist dementsprechend träge. Als ich ihn umkurven und von vorne knipsen will, flüchtet die Forelle unter einen Stein.
Und dort wartet sie dankenswerter Weise auf mich...


20 Minuten Tauchzeit. Ich schiebe mich weiter vorwärts Richtung Pooleingang, als es plötzlich gewaltig aufstaubt vor mir. Wie in einem typischen RoadRunner-Zeichentrickfilm sehe ich eine gigantische Staubwolke und immer wieder nur einzelne Körperteile, in diesem Fall Flossen, aus der Wolke auftauchen. Mir wird klar, dass ich wohl die Barben gefunden habe. Diese sind nun an mir vorbei zurück in den Pool gerauscht.

Nun heißt es warten - und jetzt beginnt der fiese Teil eines herbstlich-winterlichen Tauchgangs. So langsam spüre ich trotz meiner Isolierung die Kälte des Flusses. Wirklich warm ist es jetzt nicht mehr, auch meine Finger werden klamm und es wird immer schwieriger den Auslöser der Kamera zu betätigen. Meine linke Hand krallt sich krampfhaft an eine Felsnase, um nicht abgetrieben zu werden. Ich weiß, dass nun der harte Teil der Arbeit ansteht - der Kampf gegen die Kälte. Wenn sich die Staubwolke gelegt und die Fische beruhigt haben, werde ich etwa 30 bis 40 Minuten in der Ahr gelegen haben. Danach bleiben mir bestenfalls noch Minuten um einige brauchbare Fotos zu bekommen, bevor die Kälte nicht mehr auszuhalten ist.. Ich weiß auch, dass ich nur einen Versuch habe den Pool mit der Strömung zu betauchen um Portätbilder zu machen - danach wird der Pool für Stunden eingetrübt sein. Es muss also alles passen, viele Versuche habe ich heute nicht mehr.
40 Minuten Tauchzeit. Ich friere. Die letzten Reste der großen Staubwolke sind scheinbar abgetrieben. Langsam löse ich meinen Griff von der Felsnase und lasse mich von der Strömung sanft in den Pool abtreiben. Dann tauchen im klaren Wasser die ersten schemenhaften Umrisse von Barbenschwänzen auf...





Hoffentlich regnet´s noch ein paar Tage nicht. Ich kenne da noch ein paar Pools, die muss ich unbedingt mal ausprobieren....







