seit gestern bin ich also wieder in der Heimat. Für das Frühjahr 2011 stand dieses Mal Nordsjaelland auf dem Plan. Genauer gesagt Dronningmölle. Wenn ich aus anglerischer Sicht alles in einem Satz sagen müsste, wäre folgende Äusserung eigentlich die treffendste: Leute, vergesst Fünen!
So viele Hot Spots habe ich selten wie auf der Perlenschnur aufgereiht vorgefunden. Eigentlich lohnt fast die gesamte nördliche Küstenlinie, sein Glück zu versuchen. Steilküste mit Steinen, Sandstrände durchsetzt mit vereinzelten grossen Steinen und Seegraswiesen, Strömungslinien bis dicht unter Land. Irgendwie war alles da. En masse.
Nachfolgend vielleicht eine Aufreihung der Stellen, die ich selbst gefischt habe.
Smidstrup Strand: Sandig, hinter der ersten Sandbank schnell tiefer mit Seegras.
Gilbjerg Hoved: Steilküste mit Steinstrand; links davon und rechts Richtung Gilleleje sandiger.
Nakkehoved: sehr steiniges Ufer. Bei Flachwasser nicht einfach zu bewaten. Es riecht nach Fisch.
Dronningmölle: Richtung Osten, bis zum ersten Drittel der nachfolgenden Bucht (nach den Buhnen). Entweder man fischt abends zwischen den Buhnen oder stiefelt bei Flachwasser bis zur ersten Sandbank. Ab der letzten Buhne wird es sandig. Ein hineinwaten von hier ist sehr sehr einfach. Lauft nur nicht bis ins Seegras hinein sondern stoppt vorher. Die Fische sind sehr nah.
Und wie war das Angeln? Einfach nur genial. Insgesamt 18 MeFos gedrillt, 12 allerdings verloren. Plus einige leichte Anfasser. Für eine Woche ist das schon eine geniale Quote. Donnerstag noch einem älteren Dänen beim Landen einer feisten 65er geholfen.
Eine 52er ging mit, alles andere wurde releast.
Erwähnenswert ist der Freitag. Letzter Angeltag. Ich war sofort gegen 0530 am Wasser um den wunderschönen Morgen zu geniessen. ca. 2 Stunden ging gar nichts. Dann kam allerdings eine Zeit, die ich so noch nie erlebt habe. Ich stand "mitten im Fisch". Soll heissen, dass um mich herum immer mal wieder eine Schwanzflosse oder ein kleiner Wirbel an der Wasseroberfläche zu sehen war. MeFo-Angeln auf Sicht. Einfach unglaublich. Wirbel links, 15 Meter. Anwerfen. Zwei bis drei Strips, Biss, Drill. Da fast alle Meerforellen relativ schlank waren, wollte ich eigentlich das Fischen schon beenden. Irgendwie hatte ich jedoch das Gefühl, dass da noch mehr geht. Also erst einmal gut 30 Minuten gewartet, in der Hoffnung, dass der Schwarm weiterzieht. Als wieder Ruhe einkehrte ging es weiter. Keine 10 Würfe später kam dann der Biss der "1-Mio-Dollar-Forelle". Eher zart. Zuerst dachte ich, dass es wieder einer der Absteiger war und drillte über die Leine. Als mir dann allerdings von jetzt auf gleich die Leine aus der Hand gerissen wurde und der Fisch innerhalb weniger Sekunden ca. 15-20 Meter Schnur zog musste ich mein minimalistisches Denken von vor einigen Augenblicken doch revidieren. Was da gebissen hatte, war nicht eine der ausgemergelten Keltfische. Da hing etwas Großes am anderen Ende der Schnur. Ich drillte den Fisch wieder langsam heran. Diese Urkraft! Als ich den Fisch wieder auf ca. 6 Meter herangeholt habe, erfolgte die nächste heftige Flucht. Wieder wurden innerhalb von 2 bis 3 Sekunden ca. 20 Meter Leine herausgezogen. Das Spiel wiederholte sich noch zwei weitere Male. Wobei das Einholen immer wieder mit kurzen aber heftigen Fluchten nach links und rechts quittiert wurde. Nach der vierten Flucht sah ich dann den Fisch erstmalig. Erst der riesige Schatten auf dem Sandgrund, dann den Fisch selbst. Ein Gigant! Ich kann es nicht anders sagen. Eine sehr breite silberne Flanke. Und groß. Sehr groß! Die 65er des Dänen vom Vortag war dagegen der kleinere Bruder. Das ist sie! Die Meerforelle, der man seit Jahren hinterherjagt. Wofür man soviel Freizeit und Geld geopfert hat. Einer dieser berühmten, erträumten, nie satten Heringsfresser! Dick und fett mit einem Brustkorb wie ein Bodybuilder. Und einer Maulspalte, die auf ein riesiges Maul schließen ließ.
Jetzt änderte der Fisch die Taktik. Statt gegen die Schnur zu kämpfen, kam er jetzt schnell auf mich zugeschwommen. Nur nicht den Kontakt verlieren! Zwei, drei schnelle Schritte nach hinten und gleichzeitig die Rute hoch über den Kopf ziehen. Positiv! Den Kontakt konnte ich halten nur nicht mehr mit ganz so starkem Druck wie bisher. Ein Fehler? Der Fisch drehte sich um die eigene Achse und schoss dann wieder mit einer langen Flucht nach links davon. Gewähren lassen! Nur nicht zuviel Druck ausüben. Nur nicht den Haken ausschlitzen lassen. Nur nicht…nur nicht…nur nicht…!!
Der Adrenalinschub kann beim Bungeespringen nicht größer sein.
Langsam wurde der Fisch wieder zurückgeholt. Noch 6 Meter. Fünf, vier, drei,…jaaaa! Der Sieg ist mein!! Die Gegenwehr ist nicht mehr so stark. Fast scheint es, dass die MeFo sich ihrem Schicksal ergeben hat. Fast! Dann wieder das gleiche Spiel. Der Fisch schwimmt wieder schnell auf mich zu, ich drehe wie wild an der Kurbel. Plötzlich ändert der Fisch allerdings die Richtung und bricht nach rechts aus. Ein kurzes Kopfschlagen und…..patsch!!!....mir fliegt die Schnur entgegen.
Ich kann nicht mehr genau sagen, wie meine Reaktion war. Sicher ist, dass ich drei, vier Sekunden auf die Stelle gestarrt habe, wo mir die Schnur entgegenkam und irgendwie in etwa „nö, ne?! Das geht doch jetzt nicht an.“ vor mich hingemurmelt habe. Kein Wutausbruch, kein gar nichts. Irgendwie nur eine riesige Leere. So wie wenn man das miese Ergebnis einer Klassenarbeit mitgeteilt bekommt, obwohl eine Eins sicher schien. Schockstarre nennen das wohl die Mediziner.
Der geneigte Leser wird sich jetzt natürlich fragen, warum so viele Worte über eine verlorene MeFo verloren werden. Ganz einfach. Ich habe aus diesem Ereignis wieder Motivation geschöpft. Genau die Motivation, die mir so langsam irgendwie verlorenging. Und diese Motivation kommt aus der Erkenntnis, dass die wirklich großen „Klopper“ doch von Land aus zu fangen sind.
Einige abschließende Worte noch zu der Region. Besuche in den verschiedenen Schlössern oder nach Kronborg sind allemal schön. Auch der große alte Wald bei Gribskov ist beeindruckend. Und wenn das alles nichts ist, hilft eventuell ein Frustbesuch in Kopenhagens grösstem Angelgeschäft.
Ich werde die Tage noch einige Bilder nachschieben. Erst einmal muss ich jetzt einen Termin bei meinem Psychiater arrangieren, um mein seelisches Gleichgewicht wieder zurück zu erlangen.
TL, Arnd










