- Infos zum Schiff: https://www.umweltdaten.landsh.de/nuis/ ... ithabu.pdf
- Aufträge der Forschungsschiffe: http://rtlnord.de/nachrichten/ms-haitha ... stsee.html
Frage 1.) Bin über 70 Jahre alt und befische die Ostsee seit meiner Jugend, gezielt aber auf Meerforelle, hauptsächlich die Flensburger Aussenförde und den südl. Teil Dänemarks. In der Regel fange ich 50-60 maßige Fische pro Jahr, aber in diesen Jahr waren es nur 6 Stück, was ich mir nicht erklären kann, was ist in diesem Jahr anders als in den Jahren davor oder was hat sich in der Ostsee verändert?
Antwort: Die Ostsee - auch Baltisches Meer genannt, ist zwar das kleinste, aber auch das größte Brackwassermeer der Erde. Der Salz- und Sauerstoffgehalt schwangt und ist größtenteils auf den Wasseraustausch von Nordseewassereinflusses während stürmischer Perioden Herbst/Winter angewiesen. Das derzeitige große Problem ist der akute Sauerstoffmangel, hervorgerufen durch die Landwirtschaft durch den starken Eintrag von Nährstoffen wie z.B. Nitrate, Stickstoffe ect., aber auch der permanete Temperaturanstieg. Im Sommer ist es besonders graviered,denn je höher die Temperatur des Wassers, desto weniger Sauerstoff kann sich darin lösen. Desweiteren haben wir in diesem Jahr ein besonders hohen Zuwachs an Algenwuchs festgestellt, der teiweise bis zur Oberfläche reichte, sodaß es vorkam, das z.B. Kayakfahren mit ihren Paddel stecken blieben und zu kentern drohten.
Frage 2.) Wo sind denn jetzt die Fische abgeblieben und wann kommen sie wieder?
Antwort 2: Fische, insbesonders Salmoniden wie z.B. die Lachs & Meerforelle sind auf einen hohen Sauerstoffgehalt angewiesen, fällt dieser auf ein kritisches Niveau ab, wie z.B. in diesem Jahr, wandern sie ab und nehmen dafür auch hunderte Kilometer in kauf, dieses gilt u.a. auch für Dorsch und Köhler ect.. Wenn die Wassertemperatur wieder abfällt und sich hier wieder mehr Sauerstoff lösen kann werden sich die Fische auch wieder einfinden, was aber noch andauern kann, die derzeitige Temperatur des Oberflächenwassers liegt immerhin noch bei 18~19 C Grad. In der letzten Woche sprachen wir mit einem Berufsfischer, er hatte 18 Dorsche in seinem Netz, und obwohl die Netze täglich geleert werden, waren 14 davon tot, einfach wegen Sauerstoffmangel erstickt.
Frage 3.) Was sind Todeszonen?
Antwort: Sinkt der Sauerstoffgehalt unter zwei Milligramm pro Liter, entsteht eine Todeszone. Tieferen Bereiche der Ostsee verwandeln sich in ausgedehnte Königreiche für Bakterien, hier bilden sich Faulgase durch Schwefelwasserstoff etc., hier stirbt jegliches Leben ab. Die Todeszonen in der Ostsee haben sich mehr als verzehntfacht - von 5000 Quadratkilometern vor 110 Jahren auf 60.000 Quadratkilometer. Gravierend aber wirken sich die Nährstoffe etwa aus der Landwirtschaft aus, die mit Flüssen in die Ostsee gespült werden. Sie lassen etwa Cyanobakterien sprießen, die sich stark vermehren und viel Sauerstoff verbrauchen; die Ostsee ist die weltweit größte Sauerstoffmangelzone menschlichen Ursprungs. Seit 1993 dehnten sich die sauerstoffarmen Zonen wieder aus und sind heute größer als je zuvor. Meeresbewohner wie Fische u.a. haben dadurch einen kleineren Lebensraum, was etwa die Fangmengen schrumpfen lässt. Um die Ostsee wieder gesünder zu machen müssen die ausgebrachten Düngemittel drastisch verringert werden, wenn man die Todeszonen beseitigt würde, wäre die Ostsee um mindestens ein Drittel produktiver.
Frage 4.) Wer ist Schuld an den hohen Nitratwerten der Ostsee?
Antwort: Der Verbraucher, aufgrund der hohen Nachfrage nach Frischfleisch, obwohl die Nachfrage in Europa i.d.l. Jahren nicht mehr weiter angestiegen ist, verlangt China mach immer mehr Frischfleisch. Desweiteren die Versäumnisse der Bundesregierung, denn die Europäische Kommission hat die Geduld verloren und vor Kurzem entschieden, Deutschland vor dem Gerichtshof der EU zu verklagen. Deutschland habe versäumt, strengere Maßnahmen gegen die Gewässerverunreinigung durch Nitrat zu ergreifen, nun drohen Strafzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe.
- Klage: http://www.topagrar.com/news/Home-top-N ... 55222.html
Frage 5.) Gibt es noch weitere Probleme der Ostsee, die dringend in der Zukunft gelöst werden müssen?
Antwort: Es gibt noch viele Probleme die dringend zu lösen sind, würde aber den heutigen Gespächsrahmen sprengen, wir arbeiten daran und forschen stetig weiter, aber um ein dringendes Problem anzusprechen wären die Hinterlassenschaften des II.Weltkrieges, durch ca. 1.6 Mill. Tonnen Munition in der Nord- und Ostsee, insbesondere das Problem mit dem Senfgas. Das Senfgas ist eine Zeitbombe und für mind. 10% des Sauerstoffdefizides der Ostsee verantwortlich. Die Auffindung und das kartographieren von Munition ist einer unser Hauptaufgaben, bisher haben wir 1/3 des Ostseemeeresgrundes kartographiert, die Beseitigung wird in ca. 5 Jahren beginnen, hoffentlich noch rechtzeitig. Wenn man bedenkt, dass die Fässer gefüllt mit Senfgas, Chlorpikrin, Phosgen, Arsen und weiteren Verbindungen auf dem Grund früher oder später völlig durchgerostet sein werden, aber man weiß nicht genau wann, aber dass es passieren wird, ist 100% sicher.
- Kampfmittelbeseitigung: http://www.gkd-kampfmittelraeumung.de/a ... ?tx_ttnews
- Zeitbombe Munition: http://www.voxeurop.eu/de/content/artic ... ltmunition
- Senfgas: http://www.daserste.de/information/wiss ... n-100.html
Abschlussfrage 6: Vielen Dank für die sehr informativen Antworten, aber in welchen Bereichen der Ostsee wäre der Sauerstoffgehalt noch im Rahmen?
Antwort: Empfehlenswert wäre der nördl. Bereich von Dänemark, Kattegat/Skagerrak, aufgrund des natürlichen Wasseraustausches mit der Nordsee durch Ebbe & Flut; auch Bereiche mit Strömungen, wie Belte und Sund, aber in den Innenförden waren die Meßwerte kritisch.
PS: Hoffe das ich mit diesem kleinen Bericht die wichtigsten Infos erfaßt & niedergeschrieben habe, Helmut rief mich am Mittwochabend an und so machte ich mir einige Notizen. Er gab zwar noch weitere Fragen und Antworten, hier alles aufzuführen ist einfach unmöglich, da es vielzuviele Infos auf einmal waren.
