Die Tiefe beim Fischen mit sinkenden Schussköpfen im Fluss

Hier können Fragen und Anregungen rund um das Gerät zum Fliegenfischen ausdiskutiert werden.
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troutcontrol
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Die Tiefe beim Fischen mit sinkenden Schussköpfen im Fluss

Beitrag von troutcontrol »

moin,

ausgelöst durch einen anderen thread, bei dem der arme Kerl doch nur wissen wollte, ob er denn noch einen sinkenden polyleader an seine sinktip hängen soll und da ich ja auch schon den einen oder anderen Schusskopf in meinen Händen halten durfte,:grin: dacht ich mir, machst du doch mal lieber einen neuen trööt mit folgenden Gedanken zum Tag auf:

Unbeschwerte Fliegen / Tuben haben im Vergleich zu beschwerten Mustern ein fängigeres Spiel. Um eine unbeschwerte Fliege im Fluss auf eine bestimmte Tiefe zu bekommen, gibt es Schussköpfe mit unterschiedlichen Sinkraten. Die Einteilung der Briten geht hierbei über floating, intermediate zu ultra fast sinking heads, während die Amerikaner eher zu Floater, Sink I, Sink II etc. tendieren, wobei Sink II beispielsweise bedeutet, dass der Schusskopf 2 inch per second (ips) absinkt.

Die Sinkraten gelten jedoch in ihrer Absolutheit nur für ein stehendes Gewässer. In einem Fluss bewirkt die Fließgeschwindigkeit des Wassers, die auf die Schnur als Kraft einwirkt, dass diese hochgedrückt wird, weil sich das relevante Schnurende oberhalb der Wasserlinie am Spitzenring der Rute befindet. Wenn man jetzt mal davon absieht, dass man - um eine bestimmte Tiefe zu erreichen - die Rute ins Wasser tauchen könnte, spielen folgende Faktoren eine Rolle:

- Die Fließgeschwindigkeit des Wassers und die Wassertiefe
- Die Sinkrate des Schusskopfes in Relation zu seinem Durchmesser, seiner Länge und seinem Gewicht

Zu dem ersten Punkt gibt es relativ wenig zu sagen, je höher und je tiefer, desto...

Interessanter ist der zweite Punkt:
Jede Rute hat ein bestimmtes optimales Wurfgewicht, lassen wir es bei einer # 10 er Zweihand 30 g sein. Der Rute ist es hierbei egal, ob sich die 30 g auf 9,50 m oder 12,50 m verteilen, 30 g bleiben 30 g.
Nehmen wir nun 2 Schussköpfe desselben Herstellers und derselben Sinkrate in 9,50 und 12,50 m, werden wir ohne Überraschung feststellen, dass der längere Schusskopf einen wesentlich geringeren Durchmesser aufweist. Ein geringerer Durchmesser bedeutet aber auch gleichzeitig, dass die auf den Schusskopf einwirkenden Kräfte geringer sind, dieser also tiefer fischt als der kürzere. Limitiert wird das Spiel natürlich dadurch, dass sich ein Schusskopf von 15 m - 20 m nicht mehr richtig handeln läßt...
Auf einem Holzweg befinden sich m.E. in diesem Zusammenhang daher auch diejenigen, die meinen, mit einem schweren Schusskopf besser zu fahren, also bei einem Schusskopf von 36 g tiefer zu fischen: Dieser ist (gleiche Länge und gleiche Sinkrate vorausgesetzt) dicker und erreicht höchstens die selbe Tiefe....

Was also tun?
Die erste Möglichkeit besteht darin, sich für die jeweilige Rute einen größeren Satz an Schussköpfen unterschiedlicher Längen und Sinkraten zuzulegen und das Beste zu hoffen, wobei einige zusätzliche Stücke mit Loops versehener Bleischnüre (LC-13 oder T-14) zwar das Wurfgewicht erhöhen, aber wenigstens im Durchmesser gering sind.

Die zweite Möglichkeit liegt darin, sich dem Skagit-Style zu widmen und nur noch mit floating heads und entsprechend langen sinking tips aus T-14 zu fischen, angeblich bereitet auch das Werfen von 8 m langen sinktips kein Problem, ich hab´s noch nicht probiert, aber es sieht interessant aus: http://flyfisherman.com/videos/speytoz
(Vancouver Island, ich komme! :insider: )


Die dritte Möglichkeit besteht darin, eine beschwerte Tube oder Fliege zu fischen, womit wir wieder beim Ausgangspunkt wären.


In der Hoffnung, dass Cozmo gerade Urlaub hat :insider:

- tight lines und Grüße aus Berlin
martin
There are no bad fly rods - only bad fly lines!

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Bernd Ziesche
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Beitrag von Bernd Ziesche »

Hallo Martin :wink: ,
ein sehr komplexes Thema, welches schwer mit wenigen Worten abzuhandeln ist :grin: .

Einige Punkte aus Deinem Posting sind mir aufgefallen:

Du schreibst 30 Gramm sind 30 Gramm - egal ob auf 9,5 oder auf 12,5 Meter verteilt. Das ist nicht ganz richtig. Je kürzer die Keule wird, umso intensiver zieht das Gewicht zielgerichtet an der Rutenspitze. Deshalb belastet der kürzere Kopf bei gleichem Gewicht die Rute leicht stärker. Im Umkehrschluß passt ein Gramm weniger bei der kurzen Keule oft besser.

Unbeschwerte Fliegen haben ein fängigeres Spiel?
Diese Meinung teile ich nicht. Gewicht kann man auch gezielt einsetzen, um überhaupt erst Spiel zu erzeugen ;) .
Beim Lachsfischen würde ich denn zumindestens mal felsenfest behaupten, dass kurze Kupfertuben ganz ausgezeichnet spielen und sehr gute Fänge erzielen.
Das Spiel ist immer ein Zusammenspiel aus Faktoren wie z.B. Strömung, Winkel zur Strömung, Gewicht Schnur und Gewicht Fliege, Vorfach, Länge der Fliege und Material der Fliege usw..

Wenn Du zwei Schußköpfe einer Sinkrate hast. Der eine ist 9m lang und der andere 12m. Dann ist in der Tat - wenn beide gleich schwer sind, der kürzere dicker ... Aber entscheidend für das Sinkverhalten ist primär die Dichte des Materials. Und die ist bei beiden gleich. Die Form der beiden Schnüre ist ebenfalls gleich. Ergo wirst Du kaum einen Unterschied in der Sinkgeschwindigkeit erhalten.

Wenn Du einen 30 Gramm Schußkopf mit einem 36 Gramm Schußkopf vergleichst, kannst Du bei gleicher Sinkrate nicht auch die gleiche Länge erhalten.
Das Gewicht steuerst Du über die Länge und den Durchmesser (also über die AFFTA Klasse des Ausgangsmaterials). Die Sinkgeschwindigkeit steuerst Du primär über die Wahl des Materials (Dichte) also über die Angabe der Sinkrate.

Ganz genau betrachtet kommen noch zwei Größen hinzu:
1. Je weiter der Wurf, desto länger die Driftphase = umso mehr Zeit zum Sinken besteht.
2. Je länger der sinkende Bereich der Schnur ist, umso weniger steil ist der Anstieg von der Spitze des sinkenden Bereichs zur Rute oder zum schwimmenden Teil der Schnur hin betrachtet.
Es ist natürlich ein Unterschied, ob man 1m Sinkspitze fischt oder einen ganzen Kopf in 12m Länge mit gleicher Sinkgeschwindigkeit wässert.
An der dünnen Shootingline aber ist der Unterschied zwischen einem 9 oder 11m Schußkopf zu vernachlässigen, wenns darum geht, in welcher Tiefe die Fliege fischt. Dann entscheidet die Sinkrate.

Ansonsten :+++: .
Gruß,
Bernd
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piscator
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Beitrag von piscator »

Moin, wenn ihr hier schon theoretisiert, dann auch richtig!!!!!

Wichtige Parameter für das Sinkverhalten in dynamischer Umgebung ist neben der Dichte die angeströmte Fläche und deren Form (formdrag). Hier haben wir lange zylindrische Elemente die schräg angeströmt werden mit unterschiedlicher Oberflächenrauhigkeit usw....

Das muss erstmal reichen --- also nicht einfach kurz und dick sinkt schneller als lang und dünn

Jürgen
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Bernd Ziesche
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Beitrag von Bernd Ziesche »

Hallo Jürgen,
deshalb schrieb ich: Die Form (also der Zylinder) ist bei beiden Schnüren gleich. Und das gilt ja auch für die Oberfläche. Diese ergibt sich ja mit dem Material...
Ich bin mir sicher, primär ist es die Sinkrate, welche über die Tiefe der Fliege entscheidet.
Zumindestens solange wir nicht über extreme Unterschiede in der Schnurlänge sprechen, als vielmehr über einen 2 Meter kürzer oder längeren Kopf.
Für das Sinkverhalten sind Form, Dichte und Oberfläche massgeblich.
Form und Oberfläche sind aus meiner Sicht als gleich zu betrachten.
Die Materialdichte macht den gravierenden Unterschied.
Sind wir da auf einem Nenner ?
Gruß,
Bernd
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piscator
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Beitrag von piscator »

Ich glaube wir reden da aneinander vorbei ---
kleines Beispiel: ein 1m langes Schnurstück, r=1mm Radius hat ein Volumen von 500*pi mm^3. Bei gleichem Volumen (damit auch gleicher Dichte) hat ein kürzeres Schnurstück von 0.5m Länge einen Radius von ca 1.4mm. Die effektiv angeströmte Fläche (halbe Mantelfläche) ist dann 3000mm^2 für das 1m lange Stück und 2100mm^2 für die kürzere dickere Schnur. Ergo -- kurz und dick bei gleicher Dichte weniger Anströmfläche -- wenn gleiche Dichte und gleiche Form (hier Zylinder).
TL, Jürgen
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Salmonking
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Beitrag von Salmonking »

Also für mich als Unphysiker (was für ein Wort :lol: ) ist die Sinkrate auch vom Stömungsdruck abhängig. Mir kommen da auch noch die Verwirbelungen die durch Steine etc enstehen in den Sinn. Die können einem superfast Sinker auch Auftrieb geben, oder? Und dann noch die kleinen Sauerstoffbläschen die an der Schur hängen bleiben ?????.........
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troutcontrol
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Beitrag von troutcontrol »

moin jürgen,

ich weiß schon, warum ich damals keinen mathe-leistungskurs belegt habe :grin: aber du hast offensichtlich recht, ein längerer schusskopf mit der selben dichte hätte eine größere anströmfläche und müsste dementsprechend weiter auftreiben, was er vermutlich auch tut.

um die größere anströmfläche auszugleichen, müßte man das gewicht erhöhen, wie es bei den steelhead fischern in amerika üblich ist, die ihre aus LC-13 oder T-14 gefertigten sinktips so lange verlängern, bis sie den boden des flusses erreichen. irgendwann ist dann die vertikale kraft (gewicht) so groß, dass es die horizontale kraft des wassers überwindet.

wieder was gelernt und asche auf mein haupt
grüsse
martin

:wink:
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Beitrag von Kielerkrabbe »

Salmonking hat geschrieben:Also für mich als Unphysiker (was für ein Wort :lol: ) ist die Sinkrate auch vom Stömungsdruck abhängig. Mir kommen da auch noch die Verwirbelungen die durch Steine etc enstehen in den Sinn. Die können einem superfast Sinker auch Auftrieb geben, oder? Und dann noch die kleinen Sauerstoffbläschen die an der Schur hängen bleiben ?????.........
@ Unphysiker ...das sind Luftblasen, sonst könnte man ja die Fliegenschnur zur Sauerstoffgewinnung einsetzen. :grin:
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Beitrag von troutcontrol »

hab festgestellt, dass der gestern von mir entdeckte STEIN DER WEISEN auch noch für andere sachen taugt, insbesondere hierfür: :+x

mann, im september hätte ich den boden der bjerkreimselva mit meinen ultra langen, ultra schnell sinkenden schussköpfen wie sonst was umgepflügt - was soll´s, fang ich halt nix! :grin:

schönen abend noch!
martin
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piscator
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Beitrag von piscator »

mach dir mal keinen Kopp, die Fische interessiert das eher weniger ob du theoretisch herleiten kannst warum die Schnur so tief Fischt wie sie Fischt --- alles klar? Jürgen
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