Hallo zusammen,
sharkfin hat geschrieben:Allerdings, und da fängt schon die unterschiedliche Denkweise an, ist der Kormoran schon seit jeher an der Küste heimisch und daher für die Jungs im Norden der Republik ein normaler , gewohnter Anblick. Im Süden kam der Kormoran nachweislich nie als heimische Art vor, bestenfalls mal als Durchzügler.
Stellt sich doch die Frage, warum er früher keine "heimische" Art im Süden gewesen ist, wenn es ihm doch heute da so gefällt?
Wichtig hierbei ist den Begriff "früher" genau zu terminieren. Meint früher vor der Industrialisierung (die gemeinhin als Beginn des Eingriffs in den Naturhaushalt gewertet wird), oder meint früher vor 30 Jahren?
Wir gehen mal von letzterem aus, denn vor 30 Jahren hat sich noch kaum jemand über die "Schwarze Pest" beklagt - ob sich vor 1850 überhaupt jemand für den Kormoran interssiert hat ist fraglich.
Es entstehen 2 Thesen, wieso der Kormoran heute ein vermeindliches Problem für Forellen und Äschen darstellt:
These A: Die Nahrungsreccourcen an der Küste waren früher größer und der Kormoran brauchte die küstennahen Gebiete nicht zu verlassen.
These B: Die Nahrungsreccourcen im Inland waren früher schlechter und der Kormoran meidete die küstenfernen Gebiete.
Zu A:
Wir gehen mal davon aus, dass die Nahrungsressourcen in Küstennähe früher tatsächlich deutlich größer waren. Dann hätte aber auch die Population der Kormorane größer sein müssen, denn wo mehr Beute, da mehr Jäger. In der Natur der meisten Arten liegt es, sich möglichst weit zu verbreiten. Warum sind die Kormorane dann nicht scharenweise ins Inland gewandert? Möglicherweise, weil es dort weniger zu Fressen gab - oder aber weil sie relativ erbarmungslos bejagt wurden? Letzteres ist nachweislich der Fall. Ganz ähnlich wie auch bei Elster, Graureiher und Co. stieg die Population erst gravierend an, nachdem der Kormoran auf die Rote-Liste kam. Nahrungskonkurrenten hat der Mensch früher relativ drastisch bejagt. Ob nun Seehund, Fisch-reiher (allein diese Namensgebung verrät doch schon viel) oder Kormoran - Fischfresser standen ganz oben auf der Abschussliste der Berufsfischer, die es früher halt auch noch viel mehr gab. Fast jeder Kormorangegner weiß über die Rekationsfähigkeit der Kormorane auf Gebiete mit Bejagung zu berichten: Wo häufig geschossen wird, lassen sich die Kormorane nicht mehr blicken oder meiden gar die Beschusszeiten.
Zu B:
Auch wenn dank Industrialisierung das Fischangebot in den großen Flüssen Deutschlands früher vermutlich deutlich größer war - so ist doch vergleichsweise wesentlich weniger Fischbesatz getätigt worden als heute. Nach dem Krieg gab es weder Geld noch Besatzfisch, denn Fisch war eine willkommene Nahrungsquelle die man sicherlich nicht für viel geld erstmal in Freiheit entlassen hätte. Fragt man die Älteren unter den Fischproduzenten in Deutschland so bestätigen die meisten, dass Besatzfisch im betriebswirtschaftlichen Sinne erst ab den 70er Jahren eine nennenswerte Rolle spielte (vorher nur Speisefisch). Besatzfisch wie beispielsweise RB-Forellen (besonders in den 80er Jahren auch in jedem Baggersee zu finden) stell(t)en für den Kormorane eine willkommene und leichte Beute dar, weil sie oftmals orientierungslos und oberflächennah umherziehen. Wenn man mal Bilanz ziehen könnte, wieviel Fisch in Deutschland jedes Jahr besetzt wird... ich bin sicher, da würd den meisten hier schwindelig werden. Jäger legen Luderplätze an, Karpfenhunter schmeißen Boilies in Wasser... uups?!
Fazit:
Früher wurde der Kormoran (legal) deutlich stärker bejagt, was eine Koloniebildung im Inland sicherlich verhinderte. Die Überfischung der küstennahen Gewässer in den letzten 30 Jahren hat sicherlich dazu beigetragen, dass die Kormoranpopulation sich weiter ins Inland verlagert hat. Zudem sind die Nahrunsgressourcen im Inland für den Kormoran in den vergangenen 30 Jahren deutlich einfacher zugänglich geworden. Der langjährige Bejagungsschutz wirkte sich zudem positiv auf die Koloniebildung aus.
Diskussion
Der Kormoran ist ein hochgradig mobiler und äußerst erfolgreicher Jäger, der über hervorragende Adaptionseigenschaften verfügt. Er hat sich schnell und flexibel an die veränderten Bedingungen (Rückgang der marinen Ressourcen, Ausbau der Fließgewässer, Besatzfische, etc.) der lezten 100 Jahre angepasst.
Wie offizielle, jährliche Zählungen belegen ist der gesamtdeutsche Kormoranbestand in den letzten 10 Jahren nahezu stabil, in den letzten Jahren tendenziell sogar wieder leicht rückläufig. Der Kormoran hat seine Nische im Inland besetzt, die Population scheint derzeit nicht in der Lage weiter zu expandieren. Im Falle eines so mobilen und effizienten Prädators kann das nur bedeuten, dass die Nahrungsressourcen ausgeschöpft sind.
Was die Äschenproblematik betrifft, so bleibt festzuhalten dass die Äsche eine eindeutig kälteliebende Art ist. Wenn wir über globale Klimaerwärmung reden muss man sich auch fragen, inwieweit die Äsche diesem Faktor Tribut zollen muss? Eine Erhöhung um + 2°C des Jahresmittels in unseren Fließgewässern ist ein gravierender Einschnitt. Zumal die Äsche in unseren Breiten immer schon im Randgebiet ihrer ökologischen Valenz operierte - UND insbesondere im letzten Jahrhundert ohnehin unter dem extremen Aus-/ Verbau unserer Flüsse zu leiden hatte.
Neben zahlreichen Belegen für Schädigungen an Fischbeständen durch den Kormoran, gibt es auch Belege, dass weitestgehend naturnahe Gewässer kaum unter dem Kormoran leiden.
Fazit
Die Entwicklung der Kormoranpopulation in Europa ist durch viele Faktoren geprägt. Die meisten davon sind hausgemachte Probleme...