Mit 76 Jahren noch einmal einen Fisch des Lebens !

Meerforelle und Lachs halten sich nicht nur im Salzwasser auf. Als Wandersalmoniden sind sie auch in Auen und Flüssen zu finden und auch hier ein begehrenswerter Zielfisch. Über Besonderheiten bei der Süßwasserfischerei auf Meerforelle und Lachs kann hier diskutiert werden.
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Bernd Ziesche
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Mit 76 Jahren noch einmal einen Fisch des Lebens !

Beitrag von Bernd Ziesche »

Erlebnisbericht Gaula Juni 2007

Pünktlich zum 1. Juni diesen Jahres reise ich zusammen mit meinem besten Freund Sven am 31. Mai zur Gaula. Wir sind auf einer Strecke wenige Kilometer hinter der berühmten Engpassage - dem "Gaullfossen", in einer Rotationsfischerei eingebucht.
Die Vorzeichen waren gut. Doch leider genau heute am 31. Mai ist der Fluß durch anhaltende, sehr starke Regenfälle zur reißenden Bestie geworden.
Vor nichts macht sie Halt. Bäume, Stämme, die kleinen Hütten der Lachsfischer aus der vorigen Saison und vieles mehr werden von dem unglaublichen Sog in Richtung Trondheimfjord gerissen. Ab 800 Kubikmeter Wassermenge wird der Notstand ausgerufen. Wir stellen mit Entsetzen einen Pegelstand von derzeit 900 Kubikmeter fest.
Dies bedeutet für die Fischerei oberhalb des Gaulfossens einen Totalausfall für die kommenden Tage. Bei derartigen Wassermengen können die Lachse die enge Felsschlucht (den Gaulfossen) aufgrund des hohen Wasserdruckes nicht passieren. Oder besser, sie wollen es nicht !
Unser erhoffter Start um 00:00 Uhr fällt somit aus.
In den nächsten Stunden fällt das Wasser mit großer Geschwindigkeit. Unterhalb des Gaulfossens kann somit bereits am 1. Juni wieder gefischt werden. Und das wird es auch. Die ersten Fangmeldungen gehen ein.
Wir entspannen uns und hoffen auf weiter fallendes Wasser, damit sich die Lachse zum Ende unserer Woche vielleicht doch noch auf unserer Strecke einstellen können.
Ein paar wenige Lachse sind bereits vorher im Mai bei einem deutlich geringeren Wasserstand durch den Gaulfossen zu den höher gelegenen Strecken gezogen. Doch erfahrungsgemäß gehen diese Lachse durch unsere Strecke zügig hindurch und bleiben eher weiter oben wieder stehen und werden somit "ansprechbar".
Wir starten trotzdem einige Versuche und hoffen auf das ganz große Glück einen jener Frühaufsteiger überreden zu können.
Doch diese Hoffnung wechselt schnell in die bittere Realität über. Es stehen "keine" Lachse auf unserer Strecke. Nach 4 Tagen hat niemand der 15 Angler einen Anbiß zu verzeichnen.
Wir entscheiden uns, unseren Freund Bernd (also den anderen Bernd) aus Hamburg zu besuchen. Er ist bei Rudi M unterhalb des Gaulfossens eingebucht.
Als wir an dem Pool ankommen, sieht uns Bernd von der anderen Seite des Fkusses (wo er seine Unterkunft hat) und teilt uns mit, daß er und Rudi gerade beim Abendessen sind. Wir verabreden uns zu einer späteren Stunde wieder am Pool zu sein.
Einige Stunden später fahren wir also der Verabredung folgend erneut zum Pool. Bernd und Rudi sind eben eingetroffen und bereiten sich auf das Fischen vor.
Bernd macht uns mit Rudi, einem renommierten Geigenbauer (jetzt im verdienten Ruhestand) aus Lübeck bekannt. Rudi ist mit seinen 76 Jahren und gut 40 Jahren Erfahrung im Lachsfischen ein mit allen Wassern gewaschener Experte auf seinem Gebiet. Seit einigen Jahren ist er sogar noch in das Lager der Fliegenfischer übergewechselt. Er stellt sich dieser nochmal neuen Herausforderung mit stets wachsender Begeisterung. Dies wird in einem kurzen, sehr freundlichen Gespräch schnell klar.
Und mit Bernd als Poolpartner hat er einen der besten Fliegenfischer an seiner Seite, den ich kenne. In den vergangenen Tagen hatten beide bereits 2 schöne Lachse gefangen.
Rudi entscheidet sich -animiert durch Bernd, an diesem Abend den Anfang zu machen. Er nimmt seine mächtige Zweihandrute und geht in Richtung dem ca. 200m entfernt gelegenen Pooleinlauf auf seinen Weg. Bernd ruft ihm nach: "Vergiß nicht, ich komme mit dem Unterfangkescher nur noch für einen Lachs oberhalb der 15 ! Kg Marke."
Ein Lächeln geht über Rudis Gesicht.
Nach einer kleinen Weile steht Rudi im Pooleinlauf und beginnt seine Fliege mit seiner ihm eigenen Gelassenheit zu fischen. Bernd verrät uns, daß wir es hören werden, sollte Rudi einen großen Lachs haken. "Ein kurzer, aber knackiger "Urschrei" wird über die Gaula schallen."
Kaum hat Bernd dies ausgesprochen - als hätte uns Rudi über die große Distanz zu der kleinen Hütte in der wir saßen, hören können, ertönt jener Urschrei vom Pooleinlauf zu uns herüber!
In diesem Moment bricht Hektik bei uns aus. Bernd schnappt sich den großen Unterfangkescher, welcher an der kleinen Hütte lehnt, und eilt los Richtung Pooleinlauf.
Ich renne zum Auto und hole die Videokamera heraus. Sven folgt Bernd zum Pooleinlauf.
Von weitem sehe ich schon, wie Rudis Rute bis in den Griff hinein gebogen ist. Es ist unverkennbar. Dies ist kein kleiner Fisch!
Am Pooleinlauf angekommen, beginne ich, den Drill durch die Kamera zu verfolgen.
Die Rute steht oft minutenlang still. Nichts bewegt sich. Die typisch wilden Schläge eines 8 oder 9 Kg Lachses bleiben gänzlich aus. Ein sicheres Zeichen für einen wirklich großen Blanklachs!
Der Fisch hat viel Schnur genommen und steht auf der anderen Uferseite tief unten am Grund in der Hauptströmung. Er macht keinerlei Anstalten sich zu bewegen.
Rudi hat den Biß von der kleinen Insel am Pooleinlauf bekommen. Nun gilt es durch hüfttiefes Wasser wieder ans Hauptufer zu kommen und eventuell dem mächtigen Gegner einige Meter flußabwärts zu folgen.
Es ist deutlich zu sehen, daß hier ein Kampf auf Biegen und Brechen stattfindet. Rudi ist mit seinen 76 Jahren körperlich sehr gefordert. Das ist nicht zu übersehen.
Doch ebenso wie einerseits die körperliche Anspannung zu sehen ist, wird andererseits in dem Gesichtsausdruck von Rudi die ganze Erfahrung all der vorangegangenen Jahre sichtbar! Ich habe selten jemand mit mehr Gelassenheit und Routine agieren und reagieren sehen.
Nach über einer halben Stunde kommt der Fisch - auf die seitens Rudi verstärkte Forderung nachzugeben hin, dichter an unser Ufer. Rudi übt mächtig Druck auf den starken Fisch aus. Der Fisch kommt tatsächlich aus der Hauptströmung heraus, und langsam gewinnt Rudi Meter für Meter Backing zurück.
Nach weiteren kurzen Fluchten steigt Bernd mit dem Kescher einige Meter in den Fluß ein. Rudi dirigiert den mächtigen Gegner in Bernds Richtung. Der Lachs sieht Bernd und schießt auf und davon.
Doch auch diese Flucht kann Rudi erneut nach 30m stoppen. Der Fisch wird zur Kehrtwendung gezwungen und kommt ein zweites Mal dichter in Richtung Bernd.
Jetzt ist es soweit. Bernd führt den Kescher unter Wasser und der Lachs kommt noch den letzen Meter in seine Richtung. Mit einem gekonnten Stoß schiebt Bernd den Kescher unter den Fisch und reißt den Kescher mitsamt Inhalt nach oben. Bernd rennt mitsamt allem was da im Netz hängt aufs Ufer.
Geschafft! Der Lachs ist weit auf Land im Netz gesichert.
Was ein Anblick !!!
Bernd betäubt den Fisch mit seinem Priest und tötet diesen waidgerecht.
Zusammen tragen er und Sven den Fisch zurück zur Hütte, wo Rudi das Gewicht des Lachses mit 16 Kg ! feststellt.
"Nun Bernd, DAS ist der Fisch, den Du sehen wolltest!"

Was ein tolles Erlebnis. Eines der schönsten Fangerlebnisse, an die ich mich erinnern kann. Ein Moment, den man nie vergißt. Und selten habe ich erlebt, wie sich gleich mehrere Angler so über einen Fang freuen.
Rudis Anspannung fällt langsam herunter und seine Grobmotorik beginnt wieder zu arbeiten. Die Feinmotorik - wie beim anschliessenden Glas Whiskey klar wird, ist noch weit von der gewohnten Funktionsweise entfernt. Das Zittern ist deutlich erkennbar.
Nun, bei so einem Fisch hätte wohl jeder von uns seine Feinmotorik verloren!
Halleluja - was ein Anblick!

Zurück in die Gegegwart:
Mittlerweile habe ich die Videoaufnahmen mehrfach angesehen. Sie sind excellent geworden und halten einen besonderen Moment in besonderer Erinnerung fest.

Lieber Rudi, vielen, vielen Dank für diesen Moment !

Bernd (und Bernd und Sven)

p.s. Nein, Sven und ich hatten keinen Lachs mehr gefangen. Ich hatte am letzten Tag zwei kurze Bisse bekommen. Nach dem vorangegangenen Erlebnis war das auch beinahe nebensächlich geworden.

Ein Bild von jenem Blanklachs folgt.
Zuletzt geändert von Bernd Ziesche am 29.07.2007, 21:40, insgesamt 3-mal geändert.
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Ostsee-Silber

Beitrag von Ostsee-Silber »

Wenn der Lax beisst, ist Alles egal :+++:

Was ein Erlebnis, 76 Jahre und 16 Kilo :o (wie besprochen, sonst wärst Du ja nicht mit dem Kescher gekommen ;) ).

Aber ich will nicht wiederholen, Bernd, sicherlich weißt Du, was ich mental gerade verarbeite :oops

Die Fliege versucht, 76 Jahre, einfach klasse :x

Vielen Dank für diesen schönen Bericht, der die Grenzen des tatsächlich Möglichem doch mal schwanken lässt :+++: (und wurde auch Zeit, dass Du wieder da bist :grin: )
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Vossi
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Beitrag von Vossi »

:+++: :+++:

klasse geschrieben und mit jeder Zeile auf's Neue ein sehr interessanter Bericht.

Vielen Dank Bernd :+++: :wink:
Gast

Beitrag von Gast »

Moin Bernd,

... packender Bericht - mehr davon.

Alleine das Lesen macht süchtig !!!

Super :+++:

Gruss Stephan
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knoesel
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Beitrag von knoesel »

Beim Lesen der Schilderung fing meine Feinmotorik auch an verrückt zu spielen. Oder lag das am Scroll-Rädchen? :oops
Ich hab einmal so einen Brocken von Lachs im Aquarium an der Mörrum gesehen. Bei dessen Anblick schoss mir so durch den Kopf: was machst du, wenn so ein Kapitaler an der Angel hängt?
@ Bernd: wäre schön, dieses Erlebnis - gewürzt mit Deinen Kommentaren - beim FlyBi-Treffen im Dezember zu sehen. :l:
Wir können den Wind nicht ändern -
aber die Wurfmethode anpassen.
;)
Petri-Heil ~~ Alleweil
Klaus aus Eckernförde
Gnilftz

Beitrag von Gnilftz »

Dat mit der Feinmotorik kann ich seeeehr gut nachvollziehen! :oops ;)

Super geschrieben! Von solchen Berichten kann ich nie genug lesen!
Danke Bernd! :+++:

Greetz
Heiko :wink:
Zuletzt geändert von Gnilftz am 30.07.2007, 19:02, insgesamt 1-mal geändert.
marc
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Beitrag von marc »

sehr sehr geil !!!

klasse bericht, dankeschön !
Gast

Beitrag von Gast »

Dönnerschlach :o


Dickes Petri Heil dem Fänger und Dir besten Dank für den "Lachs-Krimi" ( so richtig mit Schweiß in den Händen nur beim Lesen :+++: )

Dann ist es doch wohl so, daß man beim Fliegenfischen mit dem Alter besser wird und nicht mit 40 ( oh, Gott - ick bün bold so wiet :cry: ) aufhören muss ;) :+++:
Oliver

Beitrag von Oliver »

Einfach SUPER :+++:
schöner Gänsehaut Bericht :-++:
Hardi

Beitrag von Hardi »

Klasse, habe den Bericht förmlich verschlungen. :+++:
Gruß Thomas
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Jens
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Beitrag von Jens »

Sehr feiner Bericht, es ist bestimmt ein unvergessliches Erlebnis bei solch einem Drill teilhaben zu dürfen. :l:
Wenn ich 76 bin will ich auch solch einen Laxxx :lol: :wink:
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detimmerlued
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Beitrag von detimmerlued »

:l: suuuuppppeerrrrrr Bericht :+++: :+++: :+++:
Gruss Matthias

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cojote
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Beitrag von cojote »

aber wo bleiben die fotos :q: ....bernd, lass uns nicht hängen :!:

cojote
" Die Rückkehr des Mefi-Ritters "
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Bernd Ziesche
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Beitrag von Bernd Ziesche »

und hier ein Bild zum Träumen :l: ...
Gruß,
Bernd
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CDC-Dun
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Beitrag von CDC-Dun »

Danke Bernd für den tollen Bericht :+++: ,

und Gratulation an Rudi für den tollen Fische :l: .

Wirklich ein echter Traum!!!

Gruß
Stefan
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