Von Trondheim bis Stockholm

Insbesondere die skandinavischen und einige der baltischen Staaten haben feine Reviere. Hier kann über Reviere und Unterkünfte gefachsimpelt werden.
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der-streeck

Von Trondheim bis Stockholm

Beitrag von der-streeck »

Es ist Anfang Mai und hier in Oslo liegt an vielen Stellen noch Schnee und sämtliche Binnengewässer sind zugefroren. Ich soll für 2 1/2 Monate nach Kårstø. Die Norweger bauen dort ein Gaskraftwerk. Mein Chef hatte die Flug Tickets bereits reserviert aber das ging natürlich gar nicht! Wie soll ich denn meine teuren Ruten mit dem Flugzeug transportieren und anhalten um ein paar Wuerfe zu machen wenn ich eine interessante Stelle sehe. Nachdem ich meinen Chef von meiner Flugangst ueberzeugt hatte konnte ich mit dem Auto fahren. 460 km von Oslo nach Kårstø (zwischen Bergen und Stavanger) auf der Europastrasse E134. Es bedeutet eine 8 stuendige Autofahrt, oft hat man einen Berg vor und zwei neben sich, dass man manchmal glaubt dort hinten kann es nicht weitergehen, aber es geht und die ganze Zeit hat man immer irgendein Gewaesser, ob kleine Bäche oder Seen oder einen Fjord neben der Strasse. Ich hatte ausser meiner Baustelle noch ein anderes Ziel vor Augen, den Skjolda-Straumen bei Haugesund.

Er ist nicht sehr gross und nur etwa 3-5 m tief, man kann locker rueberwerfen. Ich hatte Glueck die Stromung hatte gerade gedreht und begann langsam stärker zu werden. Nach 5 Minuten der erste harte Biss und eine ca. 48 cm Meerforelle konnte gelandet werden. Dann ein Fehlbiss und noch eine Untermassige. Eine halbe Stunde später war die Stroemung so stark, dass angeln nicht mehr möglich war. Ich war 2 Wochen später nochmal an dieser Stelle. Die Stroemung war aber gerade so stark, dass ich nur im Drehbereich, welcher vor einem Privatgrundstueck liegt angeln konnte. Nach ein paar Wuerfen am Zaun stehend fing ich eine untermassige Meerforelle. Der Nachteil des Babystraumens ist, dass man eigentlich nur im Moment wo die Strömung dreht angeln kann und dann wieder 6 Stunden warten muss und es ist nur kleiner Bereich links und rechts neben der Brücke den man beangeln kann. Nichts mit am Ufer langlaufen und das Gebiet erkunden.

Die Baustelle lag direkt am Wasser, also bin ich gleich nach der Arbeit mit der Spinnrute losgezogen. Der erste Kontakt war ein kleine Meerforelle, die beim rausheben des Köders hinterhergesprungen kam. Dann noch ein Fehlbiss weiter draussen und ein Nachläufer bis vor meinen Füssen. Ich sah mich schon unendlich viele Meerforellen fangen aber es wurde in den nächsten Tagen deutlich wärmer und obwohl ich jedesmal Meerforellen springen sah hatte ich ausser ein paar Nachläufern und einigen vorsichtigen Anfassern keine Erfolge zu verzeichnen. Ich konnzentrierte mich dann auf die Stelle unter der 2. Bruecke vor der Fähre nach Stavanger wenn man von Norden kommt. Hier herrscht immer noch eine recht starke Gezeitenströmung und ich hatte mit geschaetzten 55 cm meine bissher grösste Meerforelle im Drill, der Fisch sprang 3 mal aus dem Wasser um sich dann kurz vor der Landung vor meinen Füssen zu verabschieden. Ich hatte an 10 weiteren Angelabenden noch 2 Nachläufer und einen Fehlbiss.

Die Regelung auf dieser Baustelle war es 2 Wochen lang 12 Stunden am Tag zu arbeiten, mit freiem Sonntag und dann 9 Tage frei. Ich fuhr nach Etne wo ein Lachs- und Meerforellenfluss ins Meer mündet. Nach den ersten 50 m Fluss kommt ein Schild welches den Flussanfang markiert und das Angeln nur mit Angelkarte genehmigt. Die Meerseite war frei beangelbar. Der Fluss war auf einer lange von etwa 100 m voll mit Lachsen (ich vermute es waren Lachse), wirkliche hunderte zwischen 30 und 50 cm länge. Im Meer sprangen Fische, ich vermute Meerforellen, bis etwa 3kg. Im ganzen Fjord soweit man ihn ueberblicken konnte sprangen regelmässig Meerforellen. Ein einheimischer Angler erzählte mir aber vorher schon, dass diese sehr scheu und schwer zu fangen sind. Ich angelte von 21 Uhr bis 2 Uhr Nachts, zum Schluss dann schon im verbotenen Bereich mitten zwischen den Fischen ohne einen einzigen Biss. Ich wiederholte das ganze dann einen Monat später nochmal mit dem selben Ergebnis. Diese Fische waren unfangbar, auch die Fliegenrute brachte keinen Erfolg. Ich unterhielt mich noch mit Touristen die vor ein paar Jahren 4 Lachse im Herbst an dieser Stelle im Meer gefangen haben. Wer in Norwegen in der nahe ist, sollte sich diese Stelle auf jeden Fall mal antun.

An einer anderen Freiwoche fuhr ich nach Tysnes, eine Insel südlich von Bergen. Ich hatte mich mit dem Angelguide Micha von der Ferienanlage Tysnes Sjø og Fritid verabredet. Man kann bei ihm nicht nur Meeresguiding sondern auch Bachforellenguiding buchen. Er zeigte mir mein Quartier, eine kleine Halbinsel in einem kleinen Binnensee. Der Schlafsack und die Isomatte wurden im Auto zurechtgelegt um bis zur Dunkelheit mit der Fliegenrute die ersten Versuche zu unternehmen. Ohne Erfolg. Am naechsten Tag gings mit Micha der die richtigen Fliegenmuster dabei hatte mit einem kleinem Ruderboot auf den See. Mann, ist das spannend wenn eine Bachforelle die Trockenfliege von der Oberflaeche schluerft. Ich fing an diesem Tag meine ersten zwei Bachforellen mit Fliege und abends noch eine mit Blinker. Sie hatten etwa 300 g und haben in Alufolie gegrillt auf meiner kleinen romantischen Insel hervorragend gemundet. Am naechsten Abend bin ich mal wieder fremdgegangen. Micha erzaehlte mir von den unglaublich guten Aalbestand in diesem See. Ich habe meine Jig- und meine Jerkrute mit Grundblei bestueckt und sie abends im flachen Wasser auf Grund gelegt und wollte ganz gemütlich ein Buch lesen. Daraus wurde jedoch nichts, da die Aale ohne Pause bissen. Nach 2 Stunden und 12 Aalen später habe ich die Aktion abgebrochen. Der Schleim an meinen Händen und Sachen liessen mich wieder in Erinnerung rufen warum ich das Aalangeln damals aufgegeben hatte.

Im Urlaub war ich mit meinem Freund Gunter in Trondheim. Das war im Juli. Wir haben nur ein Boot gemietet und konnten im Wohnwagen von unserem Angelguide wohnen. Von der E 6 Richtung Inderøy auf der 155 gibt es 2 Straumen. An dem Kleineren haben wir von Land aus erfolgreich auf Dorsch geangelt und naturlich die Meerforellen im Hinterkopf gehabt. Beim absuchen des Straumens mit dem Meefoblinker sah ich an einer flachen, schnellstroemenden Stelle einen Fisch springen. Nach 3 Würfen kam der Biss. Auch diese Meerforelle verabschiedete sich nach mehrmaligem springen, weil der Drillung durch Steinkontakte beim vorhergehenden Dorschangeln stumpf war. Ja man sollte beim Meerforellenangeln konsequent bleiben und nicht den Köder immer wieder durchsacken lassen in der Hoffnung wenigstens einen Dorsch zu fangen.

Die hier erfolgreichste Methode im Meer auf Dorsch und Co zu angeln ist es mit mindestens 700 g Bleien und einem 20 Meter langem Paternoster, bei dem die Meeresfliegen im Abstand von mehreren Metern gebunden sind, an Kanten langzuschleppen. Das haben wir prinzipiell abgelehnt. Stattdessen versuchten wir die Leichtpilkmethode. 100 g Pilker auf 100 m runterlassen um sie dann wie ein Kaputter, volle Pulle wieder hochzukurbel machten wir trotz einiger Fische genau 3 Stunden lang und beschlossen dann, dass dies nicht unsere Methode werden wird.
Etwas spassiger war es mit Heringsfetzen auf Wittling und Schellfisch zu angeln. Wenn man abends an der 20 m tiefen Wittlingstelle nach 30 sek keinen Biss hatte bedeutete es, dass der Koeder ab ist. Man haette dort Unmengen von Wittlingen und Schellfischen fangen können. Am 2. Abend probierten wir die Fische mit Gummifisch zu fangen. Es funktionierte jedoch nur, wenn man einen kleinen Fetzen Hering mit auf den Jigghaken zog.

Am naechsten Tag fingen wir noch ein paar Flunden im flachen Wasser. Nachdem wir von jeder Fischart, wozu noch Makrele und Hornhecht kamen, einen gefangen hatten zog es uns an die Forellenbaeche. Bei unserem Ausflug hatte Gunter 3 Bisse mit der Fliegenrute. Aber auch hier konnten wir keine Forelle landen.

Und dann ging es weiter nach Frøya. Frøya wirkte Nachts wie eine Geisterinsel. Kilometerlang fuhren wir auf einspurigen Strassen durch Nichts. Wir kamen Nachts um 1 Uhr in Titran an und schliefen im Auto. In den Häusern war kein Licht zu sehen. Am nächsten morgen um 7 immer noch das gleiche Bild, kein Mensch auf der Strasse. Wir fuhren zum Boot, dort begruesste uns der schwedische Guide und 5 weitere Schweden. Wir fuhren eine Stunde zu einem Plateau. Als Köder dienten Seelachsfilets die an 10/0 Haken und 1,5 bis 2,0 er Monovorfach gebunden waren. Wir liessen die 700 g Bleie auf 200 m runter und fingen mehrere Lumbs und Lengs. Dann wechselte der Guide die Stelle. Er fuhr etwa 100 m weiter und ein weilchen langsam im Kreis bevor er das Zeichen gab wieder runterzulassen. Nach 5 min waren alle 7 Ruten krumm. Ich hatte meine Fisch als erster hochgeguaelt. Ein Leng von 10 kg. Ich freute mich, jedoch nicht lange. Ich ging zu Gunter und er sagte, er habe seinen Fisch noch keinen Meter vom Grund wegbekommen. Was jetzt kam liess meinen Mund fuer eine halbe Stunde offen stehen und mich nur noch Fotos machen. Der nächste Fisch der hochkam war ein Leng von 20 kg, dann 25...........dann 35 kg, 180 cm. Gunters Leng hatte 27 kg bei 174 cm. Natuerlich wollte ich auch so ein Vieh haben. Gunter und ein Teil der Schweden dagen waren satt, genug ist genug. Sie fischten weiter auf Seelachs und Rotbarsch. Ich machte meine Rute wieder fertig und fing noch Lengs von 10 und 11 kg. Noch heute amüsiert sich Gunter darueber wie ich dastand und trotz deutlichen Ausschlags der Spitze meiner 50 lb Rute den Koeder vom Fisch wegzog und meinte, das war er nicht, ich habs gemerkt, nur ein Kleiner. Ich hatte wirklich keine Lust noch einen "kleinen" 10 kg Leng die 200 raufzukurbeln. Zumal es keine nette Angelmethode ist, da die Fische auf halber Strecke durch den Druckunterschied sterben. Wir fingen mit 7 Anglern an diesem Tag etwa 25 Lengs, kein wirklich kleiner dabei, 5 Fische ueber 20 kg.

Der schwedische Guide, eigentlich Berufsfischer faengt die Lengs nach eigener Aussage tonnenweise. Er faehrt 20 Wochen im Jahr mit hauptsächlich schwedischen Touristen auf Grossleng. Er hat mehrere Plateaus zwischen denen er wechselt. Die Fische rücken immer wieder nach, vor allem im Fruhjahr ist alles wieder auf Null gestellt. Er gab aber zu, dass die Fange in den letzten 5 Jahren um 40 % zuruckgegangen sind und das wir einen besonders guten Tag erwischt hatten. Er hat uns die Fische Gott sei dank abgenommen, das hatte auch kein Mensch alles Essen koennen.

Im September war ich 2 Tage an der Glomma und hab mich von Paul guiden lassen.
Paul ist 66 und etwas eigen. Er ist hat sein ganzes Leben noch nie was anderes als Fliegenfischen mit der Trockenfliege gemacht. Alles andere akzeptiert er auch nicht. Selbst das fischen mit der Nympfe verachtet er. Moecht nicht wissen was er von Aalanglern hallt. Er steht jeden Tag in der Glomma uns farngt Aeschen und Bachforellen. Er betrachtete das Guiding als das Zeigen von Plaetzen und das Empfehlen seiner selbst gebundenen Fliegen. Das ich noch nicht richtig werfen konnte war nicht eingeplant. Er zeigte jedoch erbarmen und gab mir noch einen halbstundigen Wurfkurs. Danach ueberliess er mich meinem Schicksal an einem der besten Stellen, nein an der besten Stelle in der Glomma. Er stellte sich 30 Meter weiter und fing in 3 Stunden 10 Aeschen bis 45 cm. Zwischdurch fing er mit nur einem Wurf Eine auf meinem Platz um mir zu zeigen, dass dort Fische sind. Dazu kamen noch ein paar aufbauende Worte wie: "Du wirst es heute Abend immer noch nicht koennen." Mein Problem war, das die Strømung von recht und der Wind von links kam. Also knickte meine Fliege beim ablegen immer noch recht weg. Trotz meines Handycaps fing ich meine allererste Aesche auf Trockfliege. Abends dann noch eine auf Spinner aber das darf Paul nie erfahren. Am naechsten Tag fing er 5, die Groesste schätzte ich auf fast 50 cm. Ich fing keine. Seine 15 Aeschen an 2 tagen war für ihn ein niederschmetternd schlechtes Ergebnis wie er es selten erlebte.

Zur Zeit habe ich einen Auftrag in Stockholm und sollte jetzt eigentlich nicht hier sitzen und schreiben sondern am Schärengarten versuchen eine Meerforelle zu fangen. Nachdem ich bei meinen letzten 3 Versuchen Erfolglos geblieben bin, habe ich mich heute trotz perfekten Wetters mit leichtem Wind und leichtem Schneefall dazu entschlossen im warmen zu bleiben und es schon bereut. Morgen früh werd ich aufbrechen. Nach Auskunft des Angelladen beginnt die Zeit in der man hier die Meerforellen vom Ufer fangen kann im November.
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Zuletzt geändert von der-streeck am 04.11.2006, 22:18, insgesamt 1-mal geändert.
Gnilftz

Beitrag von Gnilftz »

Geiler Bericht!!! :+++:
Danke schön!

Hassu auch Bildäääär? :oops
*Nu hat er welche* ;)

Greetz
Heiko :wink:
Zuletzt geändert von Gnilftz am 05.11.2006, 11:42, insgesamt 1-mal geändert.
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meyer
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Re: Von Trondheim bis Stockholm

Beitrag von meyer »

der-streeck hat geschrieben: Und dann ging es weiter nach Frøya. Frøya wirkte Nachts wie eine Geisterinsel. .
:lol: Das kenn ich ! Ich dachte auch ich falle gleich vom Rand der Scheibe........... :grin:

:+++: Feiner Bericht, vorallem wenn man vorm Rechner sitzt und altbekannte Stellen, aus vergangenen Urlauben "wieder sieht" !

:wink: meyer
Nicht ganz dicht...!
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Marius
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Beitrag von Marius »

Danke für den tollen Bericht :+++: :+++: :+++:
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knoesel
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Beitrag von knoesel »

Beim Lesen dieses schnuckeligen Berichtes bekomme ich Heimweh nach meinem Lieblingsland, das ich als Mariner bis nach Molde beschifft habe. Beangelt allerdings nur den Süden des Landes, weil ich dort Freunde habe.
Bin gespannt auf mehr :+++: :+++:
Wir können den Wind nicht ändern -
aber die Wurfmethode anpassen.
;)
Petri-Heil ~~ Alleweil
Klaus aus Eckernförde
Karstein

Beitrag von Karstein »

Erste Klasse, was für feinste Erlebnisse in unserem gelobten Land! :+++:

Danke für Deine Impressionen und Gruß aus Berlin

Karsten
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