Hallo Martin

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habe erst jetzt Deine Frage gesehen. Zuerst würde mich interessieren, wie Du darauf gekommen bist, dass die Geschwindigkeit der Spitze der "weichen" Fliegenrute bei gleicher Rotationsbeschleunigung nur 50%-60% von der Geschwindigkeit beträgt, welche die Spitze der starren Fliegenrute erreicht. Das hängt m.E. sehr von der Höhe der Rotationsgeschwindigkeit ab. Eine "schnelle" Fliegenrute, wie ich sie in meinen "
Experimentellen Untersuchungen zur Biegung der Fliegenrute" verwendet habe, erreicht einen Wert von rd. 85% (geht aus Anhang 1 meiner "Experimentellen Untersuchungen ..." hervor). Die Spitze der starren Fliegenrute kann also noch eine rd. 15% höhere horizontale Geschwindigkeit besitzen - allerdings muss der Werfer dafür sowohl rotieren, als auch eine vertikale Hubbewegung ausführen, was einen erheblichen Mehraufwand bedeutet (siehe Skizze XVI).
Eine weichere "full flex" Fliegenrute wird entsprechend früher als eine schnellere Fliegenrute an das Geschwindigkeitslimit kommen müssen. Das ist ja auch unstrittig. Ich denke Bernd wollte mit seinem Beispiel, dass die steife Tarponrute eine leichte 5er Fliegenschnur weiter wirft (was ja auf eine höhere Schnurgeschwindigkeit hindeutet), genau darauf hinweisen, dass die steifere Fliegenrute ihrer Spitze tendenziell eine höhere Geschwindigkeit zur Verfügung stellt. Doch bei der Frage der Effizienz geht es eben nicht nur um die Höhe der Geschwindigkeit, sondern auch um die Betrachtung WIE bzw. mit welchem AUFWAND diese erreicht wird.
Wird die Frage nach den Effizienz gestellt, dann muss die Art der Energieübertragung mit betrachtet werden. Das bedeutet:
a) Für die starre Fliegenrute: Translation + Rotation
b) Für die ganz schlaffe Fliegenrute (z.B. Werfen ohne Fliegenrute "aus der Hand"): Translation
c) Für die biegsame Fliegenrute: Translation + Rotation + Zwischenspeicherung (potentielle Energie, "Rutenladung") + Umverteilung (Drehimpulserhaltung, Änderung der Massenträgheit [siehe Anhang 2 meiner "Experimentellen Untersuchungen..."])
Die Fälle a) und b) stellen nicht das Optimum der Effizienz dar. In meinen "Experimentellen Untersuchungen..." habe ich dargelegt, dass die starre Fliegenrute ähnlich einer 'Pleuelstange' funktioniert und deshalb die Energieübertragung nicht beeinflusst werden kann (im Falle der Masselosigkeit beträgt die Effizienz immer 1,0). Das bedeutet, dass für das Erreichen einer Geschwindigkeit verhältnismäßig viel Energie aufgewendet werden muss.
Das Optimum wird im Fall c) liegen. Ich denke, dass dieses Video ganz gut zeigt, was ich meine
http://vimeo.com/146512447 . Es stellt insbesondere die 4. Übertragungseigenschaft der Umverteilung des Drehimpulses bzw. Änderung der Massenträgheit dar.
Interessant ist, dass im Fall c) offenbar schon allein die ersten 3 Übertragungseigenschaften (also Translation + Rotation + "Rutenladung") eine deutlich höhere Effizienz verglichen mit a) ergeben. Dies ist das Ergebnis eines eindimensionalen "Masse / Feder"- Modells, auf welches zuvor kurz eingegangen wird. In diesem Modell noch nicht enthalten sind die positiven Übertragungseigenschaften, die sich aus den durch die Biegung hervorgerufenen Umverteilungsprozessen ergeben. Daher bin ich der Meinung, dass bei der Betrachtung der Effizienz die Rotation eine notwendige, aber eben noch keine hinreichende Bedingung ist. Die hinreichende Bedingung kommt erst dazu, wenn die weiteren Übertragungseigenschaften, welche die flexible von der starren oder ganz schlaffen Fliegenrute unterscheiden (also sowohl die Zwischenspeicherung der Energie als auch die Umverteilungsprozesse aus dem Drehimpuls und der Veränderung der Massenträgheit) mit berücksichtigt werden. Die Aussage "Rotation ist das Konzept" allein für sich greift deshalb bezogen auf die Effizienz für viele Situationen zu kurz.
Viele Grüße, Tobias
Edit: ich bin gespannt, ob 'laverda' noch ein Modell entwirft, wie er es angedacht hat. Die Ergebnisse würden mich sehr interessieren.