Biegung der Fliegenrute

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hshl
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Re: Biegung der Fliegenrute

Beitrag von hshl »

Moin Martin,
die Spitze der flexiblen Fliegenrute erreicht ihre höchste Geschwindigkeit deutlich später als die starre Fliegenrute (6. Feststellung), weil ja der frühe Rotationsweg überwiegend in die Biegung / Ladung umgesetzt wird. Doch zum Ende hin holt die flexible Fliegenrute auf. Dein Versuch wäre m.E. prima, wenn Dein Apparat noch das Drehmoment (und die Bremsenergie) messen könnte.
VG
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troutcontrol
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Re: Biegung der Fliegenrute

Beitrag von troutcontrol »

Moin,
bei meinem Versuchsaufbau "ermittle" ich für die full flex natürlich nur die niedrigere Durchschnittgeschwindigkeit, nicht die interessantere Endgeschwindigkeit.
Lässt sich das nicht irgendwie ausrechnen?? ;)

Vielleicht so, indem man sich nur die letzten 0,25 sec anschaut, also im Versuchsaufbau den Bereich zwischen 90° und 180°.
Wenn die Rute realistischer Weise zu diesem Zeitpunk voll geladen ist und die Rutenspitze in einer Kreisbahn von 2,5 m (?) Höhe rumturnt, dann legt sie in dieser Zeit 3,9 m zurück, was dann 57 km/h entsprechen würde, oder?


Grüsse :wink:
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Athlord
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Re: Biegung der Fliegenrute

Beitrag von Athlord »

troutcontrol hat geschrieben:Moin,

Vielleicht so, indem man sich nur die letzten 0,25 sec anschaut, also im Versuchsaufbau den Bereich zwischen 90° und 180°.
Wenn die Rute realistischer Weise zu diesem Zeitpunk voll geladen ist und die Rutenspitze in einer Kreisbahn von 2,5 m (?) Höhe rumturnt, dann legt sie in dieser Zeit 3,9 m zurück, was dann 57 km/h entsprechen würde, oder?

Grüsse :wink:

...wenn man davon ausgeht das das die Ø Geschwindigkeit ist...


TL und :wink:
Jürgen
Ich danke allen, die nichts zur Sache beizutragen hatten und trotzdem geschwiegen haben!
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troutcontrol
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Re: Biegung der Fliegenrute

Beitrag von troutcontrol »

Moin,
ist mir vermutlich doch zu hoch... :grin:

Ich war (und bin) nur irritiert darüber, dass die Spitze eine 15´ full flex - Rute eine um 33% (!) höhere horizontale Endgeschwindigkeit haben soll als eine 15´ no-flex-Rute - vor dem Hintergrund der deutlich langsameren Geschwindigkeit "im Raum".

Noch mehr irritiert mich aber folgendes: Wenn die "bösen" tangentialen Anteile mit zunehmender Steifigkeit zunehmen (und mit der no-flex-Rute ihren Höhepunkt erreichen), dann müßte die Reihenfolge der mit einer 15´ Rute maximal erreichbaren horizontalen Geschwindigkeit in letzter Konsequenz doch so aus sehen:

Platz 1: Full Flex
Platz 2: Mid Flex
Platz 3: Tip Flex
Platz 4: No Flex

Und das deckt sich dann aber so rein gar nicht mit meinem persönlichen Empfinden... :roll:
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hshl
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Re: Biegung der Fliegenrute

Beitrag von hshl »

Hallo Martin,
wenn die starre und die flexible Fliegenrute mit dem gleichen Rotationswinkel und -geschwindigkeit geworfen wird, dann
a) erhält die Spitze der flexiblen Fliegenrute in meiner Untersuchung eine ca. 33%ige höher horizontale Geschindigkeit im Vergleich zur Spitze der starren Fliegenrute, wenn beide Fliegenruten ausschließlich rotiert werden,
b) ist die tangentiale Geschwindigkeit der Spitze der starren Fliegenrute in meinen Untersuchungen ca. 15% schneller als die horizontale Geschwindigkeit der flexiblen Fliegenrute (die flexible Fliegenrute besitzt aufgrund ihrer Biegung so gut wie keine tangentiale Geschwindigkeit),
c) ist die Spitze der flexiblen Fliegenrute in meinen Untersuchungen ca. 15% langsamer als die Spitze der starren Fliegenrute, wenn ihre Spitze auf einer Geraden geführt wird (siehe Anhang 1).

Wird also die Spitze der starren Fliegenrute auf einer Geraden geführt, dann erreicht sie eine höhere horizontale Geschwindigkeit als die flexible Fliegenrute (Fall c)). Die horizontale Geschwindigkeit der Spitze der starren Fliegenrute hängt maßgeblich davon ab, wie sie geführt wird. Sie kann durchaus höher als die horizontale Geschwindigkeit der flexiblen Fliegenrute sein.

Doch muss der Werfer dafür, dass er die Spitze auf einer Geraden führt, einen hohen Aufwand aufbringen, der den Aufwand des Werfers der flexiblen Fliegenrute bei weitem übersteigt (Skizze XVI und Anhang 1).

Beim Werfen der absolut steife Fliegenrute kann der großer Nachteil des vertikalen Bewegungsanteils nicht vermieden werden. Erfolgt im Rutengriff eine reine Rotationsbewegung, so muss die Rutenspitze mit einer vertikalen Bewegung vom geraden Weg abweichen („Scheibenwischer“). Wird hingegen ihre Rutenspitze auf einem geraden Weg geführt, so muss eine vertikale Ausgleichsbewegung (Hubbewegung) im Griff erfolgen (siehe Skizze XVI). Beide vertikale Bewegungsanteile verringern die Effizienz der absolut steifen Fliegenrute deutlich. Ich glaube der Abschnitt F3 gibt Dir die Antworten ?!

Insofern empfinde ich es als sehr widersprüchlich, wenn die Rotation als DAS Konzept der Fliegenwerfens angesehen wird und gleichzeitig einige (angebliche) Vorzüge starren Fliegenrute genannt werden - eben weil die Rotationsbewegung klein gehalten werden muss, um diesen vorgenannten Nachteil zu mindern Die starre Fliegenrute und das Rotationskonzept passen schlecht zusammen (17. und 18. Feststellung) !

VG, Tobias
Zuletzt geändert von hshl am 15.02.2016, 08:43, insgesamt 3-mal geändert.
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Sundvogel
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Re: Biegung der Fliegenrute

Beitrag von Sundvogel »

Ich denke, dass das Verständnisproblem bei den meisten in der Begrifflichkeit starr bzw. flexibel liegt. Da wir ja immer von ganz konkreten Ruten ausgehen, deren Flexibilität von Lämmerschwanz bis absoluter Spitzenaktion reicht, ist ja die Frage, die interessant ist, ab wann eine hohe Flexibilität bzw. hohe Steifigkeit unter welchen Voraussetzungen nachteilig wird oder Vorteile bringt.

Ansonsten bleibt es ja akademisch. Was kein Vorwurf sein soll.

Gruß Uli
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troutcontrol
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Re: Biegung der Fliegenrute

Beitrag von troutcontrol »

Moin Tobias,
danke für die Mühe mit deiner ausführlichen Antwort!!

:wink:
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hshl
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Re: Biegung der Fliegenrute

Beitrag von hshl »

Hallo Martin, Du kannst mir auch gerne weitere Fragen als PN schicken.
Hallo Uli,
Da wir ja immer von ganz konkreten Ruten ausgehen, deren Flexibilität von Lämmerschwanz bis absoluter Spitzenaktion reicht, ist ja die Frage, die interessant ist, ab wann eine hohe Flexibilität bzw. hohe Steifigkeit unter welchen Voraussetzungen nachteilig wird oder Vorteile bringt.
Der Meinung bin ich auch. Ich versuche es so "unakademisch" wie möglich, nur leider spielen viele und sich über den Wurf auch noch verändernde Faktoren eine Rolle, die eine "zu einfache" Beschreibung unserer Fliegenruten nicht zulassen. Ich denke der Apparat von Martin kann für eine solche Einschätzung der Vor- und Nachteile verwendet werden ...

Die zuvor genannten Werte beziehen sich auf die Rotationsgeschwindigkeit meiner Untersuchungen. Diese werden in irgendeiner Form für die Eigenschaften der verwendeten Fliegenrute "optimal" gewesen sein. Wenn ich stattdessen eine sehr langsame „full-flex“ Fliegenrute mit derselben Rotationgeschwindigkeit wie in meinen Untersuchungen werfen würde, dann würde diese Fliegenrute vermutlich an ihr Limit kommen. Dieses Limit müsstest Du, Martin, in Deine Überlegungen mit einfließen lassen. Tendenziell wird eine Fliegenrute umso früher dieses Limit erreichen, desto "weicher" bzw. langsamer sie ist. Dieses Limit kann als Nachteil der "weicheren", langsameren Ruten angesehen werden.

Die Übertragungseigenschaften der Energie einer flexiblen Fliegenrute setzen sind im Wesentlichen zusammen aus: Rotation + Translation + Zwischenspeicherung (Feder) + Umverteilungsprozesse (Drehimpuls, Massenträgheit) –> siehe mein Posting zuvor. Spielen alle Übertragungseinschaften optimal zusammen, dann kommen die Vorteile zur Entfaltung.

Diese Vor- und Nachteile können auch anhand des Apparates aufgezeigt werden. Da der Apparat nur rotiert, lasse ich den Translationsanteil im Folgenden weg. Folgende Situation:

A) Zuerst spannen wir die „full-flex“- Fliegenrute in Deinen Apparat ein und beginnen mit einer langsamen Rotationsgeschwindigkeit, die wir bei den weiteren Durchgängen immer mehr steigern. Wir werden u.a. folgendes beobachten:

1.) der Einfluss aus der Rotation und die Zwischenspeicherung nimmt irgendwann mit zunehmender Rotationsgeschwindigkeit ab - weil der Hebelarm aufgrund der zunehmenden Biegung (vertikale Projektion) kürzer wird und die Kapazität der Zwischenspeicherung erschöpft ist.
2.) der Einfluss der Umverteilungsprozesse nimmt mit zunehmender Rotationsgeschwindigkeit zu.

Die Umverteilungsprozesse können bei der Energieübertragung helfen, sind aber aufgrund der Materialeigenschaften der Fliegenrute nur begrenzt abrufbar. Die Umverteilungsprozesse alleine können deshalb nicht die hohe Geschwindigkeit erzeugen, welche die Rotation über den Hebelarm erzeugt. Ab einer bestimmten Rotationsgeschwindigkeit kommt die „full-flex“ Fliegenrute deshalb an ihr Limit, d.h. sie kann die Rotationsgeschwindigkeit nicht in eine höhere Spitzengeschwindigkeit umsetzen.

B) Anschließend spannen wir eine schnelle Fliegenrute ein, z.B. die „tip-flex“ und steigern auch hier wie zuvor die Rotationsgeschwindigkeit. Wir werden beobachten, dass der Einfluss aus der Rotation und der Zwischenspeicherung erheblich langsamer als bei der „full-flex“ Fliegenrute abnimmt und die Umverteilungsprozesse etwas später an Einfluss zunehmen (weil die dafür erforderliche Biegung später einsetzt). Das Limit dieser „tip-flex“ Fliegenrute liegt höher als das der „full-flex“ Fliegenrute.

Schnelle Fliegenrute erreichen das Limit also erst bei höheren Rotationsgeschwindigkeiten. Es ist aber möglich, dass die horizontale Geschwindigkeit der Spitze der langsamen „full-flex“ Fliegenrute bei langsamen Rotationsgeschwindigkeiten und größerem Rotationswinkel mit den schnelleren gut mithält und in bestimmten Situationen sogar schneller ist. Es gibt ein Spektrum, innerhalb dessen eine Fliegenrute in Abhängigkeit von ihren Eigenschaften die Energie gut übertragen kann. Außerhalb dieses Spektrums fällt die Qualität der Übertragung und damit die Effizienz ab.

Das Limit der starren Fliegenrute gibt nur die Rotationsgeschwindigkeit selbst i.V.m. dem Hebelarm vor. Daher liegt der Gedanke nahe, dass die starre Fliegenrute ja die effizienteste sein müsste. Das ist sie aber nicht, weil sie auf der Seite des Aufwandes erhebliche / gravierende Nachteile hat (vertikaler Bewegungsanteil 'Pleuelstange', keine Dämpfung, keine Zwischenspeicherung, keine Umverteilungsprozesse). Erst das optimale Zusammenspiel aller Übertragungseigenschaften sorgt dafür, dass innerhalb eines bestimmten Spektrums die Spitzengeschwindigkeit mit einem „geringstmöglichen“ Aufwand erzeugt werden kann. Oder wie ich es als Fazit meiner Untersuchungen formuliert habe: "je optimaler der Werfer die Biegung der Fliegenrute innerhalb ihres Leistungsvermögens (!!!) abruft, desto effizienter überträgt die Fliegenrute die vom Werfer eingegebene Energie in ihre Spitze." Ich komme deshalb zum Ergebnis, dass für dieses Zusammenspiel die Rotation eine notwendige Bedingung ist, aber allein ohne die Berücksichtigung von weiteren Übertragungseigenschaften hinsichtlich der Effizienz nicht hinreichend ist.

VG, Tobias
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Bernd Ziesche
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Re: Biegung der Fliegenrute

Beitrag von Bernd Ziesche »

troutcontrol hat geschrieben: Und das deckt sich dann aber so rein gar nicht mit meinem persönlichen Empfinden... :roll:
Hallo Martin :wink:
Der Vergleich des Fliegenwerfens mit a) einer durchschnittlichen (flexiblen) Fliegenrute und b) einem Besenstil (also einer nicht biegsamen Fliegenrute) hatte seinen Ursprung meines Wissens nach in dem Flycasting Forum "Sexyloops". Der Auslöser war folgender: Die meisten Fliegenfischer dachten, die Fliegenrute würde beim Fliegenwerfen zunächst aufgeladen werden müssen, damit sie (die Fliegenrute) danach die Schnur wirft. Diese Annahme wurde (und wird) vielfach von der Fliegenruten-Industrie gefördert. Hier fällt mir z.B. eine Rutenserie der Rutenfirma "RST" ein: SLE (Self Loading Energy). Nach dem Erscheinen jener Rutenserie häuften sich Diskussionen um die Notwendigkeit des Aufladens. Die Tatsache, dass KEINE Rute sich selbst aufladen kann (nein, auch nicht jene RST Rute), schien für Experten der Naturwissenschaften offensichtlich, für die meisten Fliegenfischer allerdings nicht. Denn solche (und ähnliche) Werbung funktionierte (und funktioniert) durchaus gut!
Der Norweger Dr. Grunde Lövoll konnte mit einer Reihe von Super Slow Motion Aufnahmen eindeutig belegen, dass zum dem Zeitpunkt im Wurfablauf, an dem die zuvor aufgeladene Fliegenrute sich zu entladen (sich wieder gerade zu stellen) BEGINNT, bereits ca. 80-90% der maximalen Endgeschwindigkeit (der Rutenspitze) erreicht sind. Dies führte zu einem signifikanten Umdenken im Verständnis dessen, was im Wurfablauf passiert.
Der spanische Wurflehrer Alejandro Vinualez formulierte es sehr zutreffend wie folgt:
"Wir rotieren die Fliegenrute, um die gewünschte Schnurgeschwindigkeit zu erhalten. Als unausweichliche Konsequenz biegt sich dabei die Fliegenrute."
Das Biegeverhalten der Fliegenrute bringt einige Vorteile, aber auch Nachteile mit sich. Nachfolgend einige Vor- & Nachteile (rein vom Wurfverhalten her betrachtet) im Überblick.

Vorteile der flexiblen und Nachteile der unbiegsamen Fliegenrute:

1. Die flexible Fliegenrute wiegt erheblich weniger als eine unbiegsame Fliegenrute wiegen würde.

2. Gerade der Anfangs-Widerstand gegen die Beschleunigung (Rotation) wie auch der Brems-Widerstand zum Ende der Beschleunigung der flexiblen Fliegenrute ist deutlich kleiner (da mittels Biegeverhalten besser verteilt) als bei der unbiegsamen Fliegenrute. Bei der unbiegsamen Rute fühlt man deutlichen Widerstand beim Start und beim Anhalten der Fliegenrute. Dies wirkt sehr ermüdend.

3. Lange Beschleunigungsstrecken (große Winkel zwischen den Stopp-Punkten vorne und hinten, z.B. 10 Uhr & 14Uhr oder mehr) führen mittels einer flexiblen Fliegenrute zu einem guten (effizienten) Weg für die Rutenspitze, OHNE dass die Rutenhand hier anders als möglichst dicht auf einer geraden Linie geführt werden müßte. Der gute (effiziente) Weg der Rutenspitze ist hier KEINE Gerade, aber eine über die ersten zwei Drittel (nur) ganz leicht nach außen gewölbte Bahn. Im letzten Drittel kommt es zu einer zunehmend runden Beschleunigungsbahn. Beim Werfen (Rotieren) der unbiegsamen Rute auf einem 10 Uhr zu 14 Uhr Winkel hingegen muss man die Rutenhand zu Beginn und zum Ende des Beschleunigungsweges deutlich anheben, um einen guten Beschleunigungsweg für die Rutenspitze zu erreichen. Diese Ausgleichsbewegungen kann man durchaus lernen, sind aber zunächst aufwendiger und erfordern hohe Konzentration.

Vorteile der unbiegsamen Fliegenrute und Nachteile der flexiblen Fliegenrute:

1. Die unbiegsame Rute überschwingt im Prozess des Stoppens nicht. Hingegen die flexible Rute überschwingt, was die Schlaufe deutlich vergrößert.

2. Die effektive Länge der Fliegenrute während der Rotation ist bei der unbiegsamen Rute größer. Die Distanz zwischen der Rutenspitze und der Rutenhand sinkt bei der flexiblen Rute während der Beschleunigung zunehmend. Gerade diese Länge ist ein erheblicher Faktor bei der Erzeugung von Geschwindigkeit.

3. Eine zu ungleichmäßige (plötzliche) Beschleunigung der unbiegsamen Fliegenrute führt nicht zu einem teilweise zur Rutenhand (also nach unten) hin gewölbten Beschleunigungsbahn der Rutenspitze. Hingegen bei der flexiblen Fliegenrute entsteht hierdurch eine Welle in der Oberschnur der Schlaufe (vielfach als das berühmte Tailing Loop dargestellt). Tatsächlich ist es mit einer unbiegsamen Rute nahezu unmöglich ein Tailing Loop zu werfen!

Unterm Strich ging es in jener ursprünglichen Diskussion/Betrachtung auf Sexyloops lediglich darum, jenen Mythos vom Fliegenwurfprozess als Aufladen und Entladen der Fliegenrute zu widerlegen. * Dieser Mythos wurde widerlegt, und das war es auch. Niemand auf Sexyloops wollte eine unbiegsame Fliegenrute weiter untersuchen, denn für das Fliegenfischen wird man IMMER eine flexible Fliegenrute haben wollen. Spätestens am Fisch ist das abfedernde Biegeverhalten unerlässlich.

Da man einen 100 Jahre alten Mythos nicht mal eben aus den unzähligen Köpfen (Büchern, DVDs usw.) löschen kann, habe ich z.B. ein Video aufgezeichnet, welches belegt, dass die repräsentative Rutenladung (wie wir sie im Wurf zumeist haben) die Schnur nicht ansatzweise mit dem Entladen werfen kann.
Hingegen in einem anderen Video habe ich belegt, dass man mittels der unbiegsamen Fliegenrute (also frei von Entladungsenergie) tatsächlich engste Schlaufen auf hohe Distanzen werfen kann.

Wenn man diesen praktischen Vergleich nun theoretisch (berechnet) nachstellen möchte (wie Tobias dies versuchte), so bleibt zu sagen, dass sehr viele Einflussgrößen a) eine gewichtige Rolle spielen und b) hoch variabel sind. Mir ist niemand bekannt, der diese komplexen Vorgänge theoretisch korrekt erfasst hätte bzw. dies kann.

In Sachen Effizienzbetrachtung ist für mich das Ausbringen der Fliege zum Wurfziel von Bedeutung. So nutzt die beste Energieübertragung wenig, wenn die Fliege das Ziel nicht erreicht! Ergo spielen die Schlaufenform, die Flugbahn und die Schnurgeschwindigkeit alle eine ganz wesentliche Rolle bei der Betrachtung der Wurf-Effizienz.
Aus meiner Sicht ergibt es weder einen Sinn, wenn man einen besser zur flexiblen Rute passenden, großen Wurfwinkel für den Vergleich zu Grunde legt, noch wenn man einen besser zur unbiegsamen Rute passenden, kleinen Wurfwinkel zu Grunde legt. In der Praxis passt man den Bewegungsablauf dem jeweiligen Gerät an. Man kann sowohl mit wenig biegsamen Fliegenruten wie auch mit deutlich biegsamen Fliegenruten tolle Würfe erzielen. Was nun effizienter ist, hängt von der Situation (den Bedingungen) und dem genauen Wurfziel ab. Außerdem bleibt dieser Punkt sehr individuell! Während die eine Fliegenrute, für den einen Werfer effizient ist, ist es für einen anderen Werfer eher eine andere Rute.

Hiermit möchte ich nicht Tobias seine Untersuchungen in ein schlechtes Licht rücken. Im Gegenteil - ich finde es toll, wenn sich jemand viel Arbeit macht unseren Fliegenwurfprozess weiter zu beleuchten. Allerdings bleibt die Praxis stets Sieger über jegliche, sich nicht mit der Praxis deckenden, Theorie. Einen geraden Beschleunigungsweg der Rutenspitze als Beispiel werden wir in der Praxis wohl nie zu Gesicht bekommen. Und wenn doch, würde die Fliegenschnur in die Rute selbst fliegen (und hängen bleiben).

Ich würde auch weiterhin in erster Linie auf Dein Wurfgefühl vertrauen, lieber Martin! :+++: ;)
Liebe Grüße
Bernd

*Eine Ausnahme bildet der sogenannte „Bow and arrow“ Wurf, bei dem beinahe alleine über das Spannen (Aufladen) und dem anschließendem Geradestellen der Fliegenrute geworfen wird. Tatsächlich ist dieser Wurf hoch ineffektiv. Die Fliege ich mit diesem Spezialwurf sehr schwer ins Ziel zu bekommen!
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Re: Biegung der Fliegenrute

Beitrag von DrMabuse »

Hallo Bernd! Wow erst so lange abstinent und dann gleich wieder etwas für den Pulitzer Preis.
Vielen Dank für die klärenden Worte
Tschüss Uli
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hshl
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Re: Biegung der Fliegenrute

Beitrag von hshl »

Hallo zusammen,

nach einer längeren Pause scheint dieser Thread wieder etwas an Fahrt aufzunehmen. Die Zwischenzeit habe ich genutzt und eine ausführliche Korrespondenz mit Franz- Josef und einer versierten Ingenieur aus dem SL- Forum gehabt.
Zuerst möchte ich klarstellen, dass sich meine folgenden Ausführungen weniger auf sehr kurze Fliegenwürfe und auf turniermäßige Distanzwürfe beziehen. Mir geht es vordergründig um die in der Praxis häufig relevanten Wurfweiten der mittleren und großen Distanz.
Bernd Ziesche hat geschrieben:
Der Norweger Dr. Grunde Lövoll konnte mit einer Reihe von Super Slow Motion Aufnahmen eindeutig belegen, dass zum dem Zeitpunkt im Wurfablauf, an dem die zuvor aufgeladene Fliegenrute sich zu entladen (sich wieder gerade zu stellen) BEGINNT, bereits ca. 80-90% der maximalen Endgeschwindigkeit (der Rutenspitze) erreicht sind. Dies führte zu einem signifikanten Umdenken im Verständnis dessen, was im Wurfablauf passiert.
Eine sehr schöne Arbeit von Grunde Lövoll, die als Meilenstein im Verständnis der physikalischen Abläufe des Fliegenwurfes angesehen werden muss. Nur habe ich beim Lesen dieser Arbeit keine Passage gefunden, in welcher es um die nähere Betrachtung der Übertragungseigenschaften der Fliegenrute geht :q: ?! Insofern lässt allein die hohe Geschwindigkeit der Rutenspitze zu Beginn der Entladung noch keine Aussage über die Wirkung der „Rutenladung“ hinsichtlich der Energieübertragung zu. Darauf gehe ich später noch genauer ein.
Bernd Ziesche hat geschrieben:
Der spanische Wurflehrer Alejandro Vinualez formulierte es sehr zutreffend wie folgt:
"Wir rotieren die Fliegenrute, um die gewünschte Schnurgeschwindigkeit zu erhalten. Als unausweichliche Konsequenz biegt sich dabei die Fliegenrute."
… was richtig, aber nach meiner begründeten Überzeugung hinsichtlich der Effizienz in vielen Situationen unvollständig ist. Denn für eine Aussage zur Effizienz ist eine nähere Untersuchung der Übertragungseigenschaften der Fliegenrute unerlässlich. Diese Formulierung stellt für sich allein genommen nur auf die Rotation als Übertragungseigenschaft ab. Diese allein ist aber nicht hinreichend, wie ich noch darlegen werden.
Bernd Ziesche hat geschrieben:
Vorteile der unbiegsamen Fliegenrute und Nachteile der flexiblen Fliegenrute:

1. Die unbiegsame Rute überschwingt im Prozess des Stoppens nicht. Hingegen die flexible Rute überschwingt, was die Schlaufe deutlich vergrößert.

2. Die effektive Länge der Fliegenrute während der Rotation ist bei der unbiegsamen Rute größer. Die Distanz zwischen der Rutenspitze und der Rutenhand sinkt bei der flexiblen Rute während der Beschleunigung zunehmend. Gerade diese Länge ist ein erheblicher Faktor bei der Erzeugung von Geschwindigkeit.
Meiner Überzeugung nach zeigen gerade diese Ansichten, dass die Funktionsweise einer guten Energieübertragung noch nicht so ganz verinnerlicht wurde.

Zu 1.: Das Überschwingen, welches zur Gegenbiegung führt, ist für die Energieübertragung der Rutenspitze auf die Fliegenschnur ein Hemmnis. Soweit stimme ich mit Bernd überein. Nun wird aber gerne aus diesen Grunde empfohlen, die Biegung (und damit die „Ladung“) der Fliegenrute klein zu halten. Denn kleine Biegungen führen grundsätzlich zu kleinen Gegenbiegungen. Und es wird gerne weiter gefolgert, dass große Biegungen auch große Gegenbiegungen erzeugen müssten. Und das ist falsch ! Es gibt mittlerweile einige Videos, die belegen, dass große Biegungen überhaupt keine großen Gegenbiegungen erzeugen müssen. Beispielsweise in diesem Video: http://vimeo.com/146253349 . Es zeigt eine große Biegung und eine sehr, sehr kleine, fast vernachlässigbare Gegenbiegung. Und dieses Beispiel ist kein Einzelfall http://vimeo.com/146512447. Die Gegenbiegung ist also ein Nachteil, den die flexible Fliegenrute (so gut wie) nicht haben muss !

Zu 2.: Diese Ansicht hebt die hohe Bedeutung der Rotation für den Fliegenwurf hervor. Aber die Rotation hat auch eine Grenze, welche im endlichen Aufwand liegt, den der Werfer aufbringen kann (oder will). Die Betrachtung des Aufwandes fehlt bei dieser Argumentation völlig. Konsequenterweise müssten wir, wenn diese Ansicht uneingeschränkt zutreffen würde, möglichst lange Fliegenrute werfen, um die Hebelwirkung der Fliegenrute voll auszunutzen. Nur warum gibt es dann keine z.B. 14 Fuss (~4,5m) lange Einhand- Fliegenruten (oder z.B. 30 Fuss (~10 Meter) lange Zweihandruten zu kaufen ? Aus gutem Grund: weil ab einer Länge der Hebelarm vom Werfer nicht mehr in eine höhere Spitzengeschwindigkeit umgesetzt werden kann (und wenn nur über eine kurze Zeit). Bei gleichem Gewicht würde ein Werfer immer eine deutlich kürzere Fliegenrute bevorzugen.

Diese sehr lange - und am besten darüber hinaus noch starre - Fliegenrute ist das eine „Extrem“. Das andere „Extrem“ liegt in der sehr kurzen Fliegenrute. Wer das Optimum in einem der beiden Extreme sucht, wird es bei der Frage nach der Effizienz dort nicht finden ! Und deshalb trifft auch die Ansicht nicht zu, dass die Verkürzung der Distanz zwischen der Rutenhand und der Rutenspitze – also die Verkürzung des Hebelarmes (genauer: die vertikale Projektion des Hebelarmes) – grundsätzlich ein Nachteil ist. Denn allein diese Verkürzung ist im Sinne des Nutzen / Aufwandes (Effizienz) erst einmal „neutral“, weil der geringeren Spitzengeschwindigkeit auch ein entsprechend geringerer Aufwand gegenübersteht ! Solange diese Verkürzung des Hebelarms nicht zu groß wird (also zu sehr in Richtung eines „Extrems“ wandert), ist genau das Gegenteil der Fall: denn diese Verkürzung des Hebelarms rufen Eigenschaften hervor, welche die Energieübertragung erheblich positiv beeinflussen können. Dies habe ich in diesem Video versucht „einfach“ dargestellt http://vimeo.com/150080113 .

Wie so oft im Leben liegt das Optimum irgendwo in „der Mitte“: weder ein zu langer und auch noch starrer Hebelarm noch ein zu kurzer Hebelarm kann die Energie optimal übertragen !!! Erst wenn weitere Übertragungseigenschaften hinzukommen, worunter neben der Umverteilung der kinetischen Energie entlang der Biegung (verursacht durch den Drehimpuls und der Veränderung des Massenträgheit) auch die Zwischenspeicherung („Rutenladung“) gehört, ist die Energieübertragung optimal. Rotation ist für die Energieübertragung notwendig, aber für ihr Optimum nicht hinreichend. Für mich erweckt Bernd mit seinen Äußerungen / Ansicht eben genau den Eindruck, dass er das Optimum am Rand sucht. Aber eben dort liegt es nicht !!!
Bernd Ziesche hat geschrieben: Da man einen 100 Jahre alten Mythos nicht mal eben aus den unzähligen Köpfen (Büchern, DVDs usw.) löschen kann, habe ich z.B. ein Video aufgezeichnet, welches belegt, dass die repräsentative Rutenladung (wie wir sie im Wurf zumeist haben) die Schnur nicht ansatzweise mit dem Entladen werfen kann.
Mir ist kein einziges Lehrvideo bekannt, welches die Wirkung der „Rutenladung“ allein auf die Federwirkung der Fliegenrute als Zwischenspeicher der Energie beschränkt (Oder vielleicht kenne ich das / die Video(s) nur nicht). Voraussetzung für die „Rutenladung“ ist ja gerade die Rotation ! Ohne Rotation der Fliegenrute kaum Rutenladung. Diese von der Rotationsbewegung zu entkoppeln wird NIE dieselben Geschwindigkeit wie die Rotation erzeugen können. Mir ist auch nicht bekannt, dass dieser Zusammenhang je bestritten worden ist. Da dieses Video „The Big Loading Concept“, welches Bernd hier meint, aber nicht die Wirkung der Rutenladung aus dem Wurf heraus betrachten und darüber hinaus die Fliegenrute in einer in der Praxis nicht verwendeten „Stoppposition“ eingespannt ist, halte ich dieses Video für nicht geeignet, die tatsächliche Wirkung der „Rutenladung“ aufzuzeigen :!: . Die tatsächliche Wirkung muss im Zusammenhand mit der WurfBEWEGUNG betrachtet werden.

Die Tatsache, dass die Spitze der Fliegenrute bis zum Beginn ihrer „Entladung“ bereits um die 80% ihrer Endgeschwindigkeit erreicht, wurde und wird gerne als Argument benutzt, die Wirkung der Rutenladung gering zu schätzen. Richtig an dieser Feststellung ist lediglich, dass der weitaus größte Anteil der Energie nicht zwischengespeichert wird (was im Übrigen auch ein Ergebnis meiner Untersuchungen ist), sondern als kinetische Energie übertragen wird. Dass aber schon allein diese Zwischenspeicherung im Zusammenhang mit der Wurfbewegung einen erheblichen Einfluss an einer besseren Energieübertragung hat, wird bei dieser Argumentation gerne übersehen.

Aus vorgenannten Gründen finde ich es absolut in Ordnung von „Rutenladung“ zu sprechen. Denn die „Rutenladung“ BEINHALTET die Rotation (mit Ausnahme des Bow and Arrow Cast)– umgekehrt die Rotation aber nicht unbedingt die Rutenladung - wie im Falle der starren Fliegenrute ! Seit meinen Untersuchungen spreche ich außerdem lieber von Rutenbiegung – weil die Biegung (genauer der Biegeverlauf) wiederum nicht nur die Rutenladung beinhaltet, sondern auch noch die Umverteilungsprozesse, die entlang der Fliegenrute entstehen können und zu weiteren Vorteilen bei der Energieübertragung führen („Drehimpulserhaltung“). Das Rotationskonzept stellt auf NICHTS anderem als den Hebelarm ab, der flexibel ist und höchstens geometrische Vorteile bringt. Diese Auffassung wird den weiteren Übertragungseigenschaften der flexiblen Fliegenrute nicht gerecht.
Bernd Ziesche hat geschrieben:
Hingegen in einem anderen Video habe ich belegt, dass man mittels der unbiegsamen Fliegenrute (also frei von Entladungsenergie) tatsächlich engste Schlaufen auf hohe Distanzen werfen kann.
Auch das ist ja unstrittig und trägt nicht wirklich zur Klarstellung dieses Threads bei. Effizienz und Effektivität sind im Vorfeld dieser Diskussion gerne mal durcheinander geraten :roll: . Eine gewissen Effektivität der starren Fliegenrute wurde nie in Frage gestellt – nur Effizient ist diese alleine nicht ! Und wenn ich auf die Schlaufen dieses Videos „Broomstick“ schaue, dann sehe ich viele kleine Wellen in der Oberschnur – so richtig „perfekt“ ist diese Schlaufe eben auch nicht.

Bernd Ziesche hat geschrieben:
Wenn man diesen praktischen Vergleich nun theoretisch (berechnet) nachstellen möchte (wie Tobias dies versuchte), so bleibt zu sagen, dass sehr viele Einflussgrößen a) eine gewichtige Rolle spielen und b) hoch variabel sind. Mir ist niemand bekannt, der diese komplexen Vorgänge theoretisch korrekt erfasst hätte bzw. dies kann.
Da stimmen Bernd und ich überein. Allerdings gibt es eindeutige Tendenzen, dass die Vorteile des Biegeverhaltens weit besser sein können, als es von vielen - auch von Bernd - nach wie vor zugestanden wird. Wird das Biegeverhalten optimal genutzt, dann können sämtliche von Bernd genannten Nachteile soweit gemindert werden, dass diese kaum noch ins Gewicht fallen. Bei der starren Fliegenrute hingegen kann der Werfer so gut wie keinen Einfluss auf die Minimierung der Nachteile nehmen, die gravierend sind. Deshalb empfinde ist es auch als widersprüchlich, wenn hier einerseits von viele komplexen Einflussfaktoren gesprochen wird, andererseits aber am Ende ganz plötzlich die Rotation als „das“ Konzept gepriesen wird. Die Rotation alleine wird den vielen komplexen Abläufen eben nicht gerecht.
Bernd Ziesche hat geschrieben:
In Sachen Effizienzbetrachtung ist für mich das Ausbringen der Fliege zum Wurfziel von Bedeutung. So nutzt die beste Energieübertragung wenig, wenn die Fliege das Ziel nicht erreicht! Ergo spielen die Schlaufenform, die Flugbahn und die Schnurgeschwindigkeit alle eine ganz wesentliche Rolle bei der Betrachtung der Wurf-Effizienz.
Hier würde ich eher von Effektivität als von Effizienz sprechen. Die starre Fliegenrute kann sicher die Fliege effektiv zum Fisch bringen – nur muss das nicht gleichzeitig Effizient sein.
Bernd Ziesche hat geschrieben:
In der Praxis passt man den Bewegungsablauf dem jeweiligen Gerät an. Man kann sowohl mit wenig biegsamen Fliegenruten wie auch mit deutlich biegsamen Fliegenruten tolle Würfe erzielen. Was nun effizienter ist, hängt von der Situation (den Bedingungen) und dem genauen Wurfziel ab. Außerdem bleibt dieser Punkt sehr individuell! Während die eine Fliegenrute, für den einen Werfer effizient ist, ist es für einen anderen Werfer eher eine andere Rute.
In diesem Thread geht es um die Biegung unserer Fliegenruten. Ihre Aktivierung hängt natürlich sehr vom Bewegungsablauf des Werfers ab. Dass es Situationen gibt, bei denen die optimale Energieüberragung nicht so wichtig ist, ist doch unstrittig. So z.B. bei (sehr) kurzen Würfen, bei denen der Arbeitswinkel (Rotationswinkel) nicht so groß sein wird, dass die positiven Effekt der Biegung aktiviert werden können. Die Frage nach der Effizienz bleibt natürlich ein Stück weit individuell und hängt u.a. auch von der Situation am Fischwasser ab – aber es gibt eben auch viele Situationen, in denen eine gewisse Schnurmenge mehr oder weniger Effizient ausgebracht werden kann.
Bernd Ziesche hat geschrieben:
Hiermit möchte ich nicht Tobias seine Untersuchungen in ein schlechtes Licht rücken. Im Gegenteil - ich finde es toll, wenn sich jemand viel Arbeit macht unseren Fliegenwurfprozess weiter zu beleuchten. Allerdings bleibt die Praxis stets Sieger über jegliche, sich nicht mit der Praxis deckenden, Theorie. Einen geraden Beschleunigungsweg der Rutenspitze als Beispiel werden wir in der Praxis wohl nie zu Gesicht bekommen. Und wenn doch, würde die Fliegenschnur in die Rute selbst fliegen (und hängen bleiben).
An dieser Stelle kann ich sagen, dass meine Arbeit den kritischen Anmerkungen – auch seitens des SL- Forums – durchaus standgehalten hat. Hier hat mir der Physiker Dr. Franz- Josef Schmitt sehr beigestanden. Natürlich können (und sollen) die Ergebnisse meiner Arbeit hinterfragt werden. Aber ebenso können die Ergebnisse der Modelle hinterfragt werden, die als Grundlage der Kritik dienten. Und da gibt es ebenfalls viele Einflüsse und getroffenen Randbedingungen, welche die Ergebnisse dieser Modelle ebenfalls in Frage stellen können. Ein solches Modell zu entwerfen ist eine großartige Leistung, vor der ich großen Respekt habe – aber auch deren Schöpfer wissen, dass es eine große Herausforderung bleibt, die Ergebnisse an die tatsächlichen Prozesse anzupassen, die bei Fliegenwurf eine Bedeutung haben. Trotz aller Diskussionen im Detail – und das ist aus meiner Sicht entscheidend - kommt ein solches mir bekanntes Modell in der Frage der Effizienz zum gleichen Ergebnis: die Effizienz der flexiblen Fliegenrute ist deutlich höher als die der starren Fliegenrute !
Bernd Ziesche hat geschrieben:
Ich würde auch weiterhin in erster Linie auf Dein Wurfgefühl vertrauen, lieber Martin!
Dieses „Gefühl“ hat ja gerade dazu geführt, dass es so unterschiedliche Ansichten gibt. Mit meinem „Gefühl“ kann ich alles irgendwie in Wohlgefallen auflösen. „Mein Gefühl“ sagt mir z.B. schon lange, dass die „Rutenladung“ zusammen mit weiteren Einflüssen, die sich aus der Umverteilung der kinetischen Energie entlang der Fliegenrute ergeben, einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung des Aufwandes leisten können. Aber genau dieses „Gefühl“ wurde ja bisher von Bernd nicht akzeptiert.


Viele Grüße, Tobias
Zuletzt geändert von hshl am 23.02.2016, 18:10, insgesamt 2-mal geändert.
Energieübertragung Griff -> Spitze = Hebelwirkung ("Rotation / Translation") + Zwischenspeicherung ("Rutenladung") + Umverteilung ("Drehimpuls/Massenträgheit")
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Re: Biegung der Fliegenrute

Beitrag von piscator »

Alter Schwede, ihr seid ja gut drauf -- aber es gibt noch viel abgefahrenere Sachen. Ihr erinnert euch doch sicher an die Buschmänner, die ihre Speere mit einer Gelenkschleuder deutlich weiter werfen können. Diesen Effekt bauen Gespließten-Designer schon seit fast 100 Jahren in Bambusruten ein - sogenannte Hinges. Allerdings manchmal ohne das Konzept zu verstehen und 2 Hinges machen ein chaotisches System. Könnt ihr leicht ausprobieren mit 3 Lattenenden und 2 Scharnieren. Da kommt dann nichtlinieare Physik richtig zur Geltung. 8)
Petri Heil, J.
brauch keine Gewalt, nimm einfach 'ne längere Rute
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Re: Biegung der Fliegenrute

Beitrag von Bernd Ziesche »

hshl hat geschrieben: Allerdings gibt es eindeutige Tendenzen, dass die Vorteile des Biegeverhaltens weit besser sein können, als es von vielen - auch von Bernd - nach wie vor zugestanden wird. ...

Die Rotation alleine wird den vielen komplexen Abläufen eben nicht gerecht.
Lieber Tobias,
ich bin nicht daran interessiert, jeden einzelnen Satz gegenseitig hin und her zu kommentieren.
Wie Du darauf kamst, dass ich (oder irgendein anderer Fliegenfischer) die Flexibiltät der Fliegenrute - ihr Biegeverhalten - als nicht wichtig und nicht vorteilhaft einstuften, bleibt mir ein Rätsel. Offensichtlich war diese Fehleinschätzung der Auslöser für Deine Arbeit, an deren Ergebnissen Du jetzt im Detail fest halten möchtest.

Dass Du dabei sogar soweit gehst, das Überschwingen der Fliegenrute als unwichtig für das Formen der Schlaufe zu bewerten, weil man das Überschwingen einfach vermeiden könne, bringt mich zum Schmunzeln. Ich habe wohl mehr als 100 000 Würfe von sehr vielen Fliegenfischern analysiert. Einen Wurf - frei vom Überschwingen der Rute - konnte ich niemals beobachten. Wenn Du einen solchen Wurf zeigen kannst, komme ich gerne mit der Slo-mo* Kamera nach Berlin. Im Optimalfall zeigst Du dann einen Wurf, dessen Arbeitswinkel dem in Deiner Arbeit entspricht. ;)

Man kann mit dem bloßen Rotieren der Fliegenrute durchaus sehr gute Würfe ausführen. Hingegen ohne Rotation kommt kein sinnvoller Fliegenwurf zu Stande. Die Rotation ist und bleibt der wesentliche Aspekt bei der Erzeugung der gewünschten Schnurgeschwindigkeit. Die Rotation zu kontrollieren, ist ein ganz wesentlicher Teil des Werfens. Genau hierauf konzentriere ich mich. Nicht hingegen konzentriere ich mich auf das Zwischenspeichern von potentieller Energie.

Mit dem Konzept "Hauptsächlich rotieren wir die Fliegenrute, um die gewünschte Schnurgeschwindigkeit zu erzeugen, und als Konsequenz biegt sie sich." wollte niemand den gesamten Prozess des Fliegenwerfens im Detail beschreiben. Auch dies hast Du falsch interpretiert. Es ging (und geht) nur darum, im Wurfunterricht ein schnell verständliches und korrektes Konzept unterrichten zu können. Deine Arbeit wäre hier für mich unmöglich anwendbar - selbst wenn sie den Fliegenwurf inhaltlich richtig und der Praxis gerecht werdend repräsentieren würde.
Liebe Grüße (und nichts für ungut)
Bernd
p.s.: Das Schusskopfwerfen mit einer sehr leichten (monofilen) Schussleine in den Ringen (+ deutlichem Überhang) ist in Sachen Größenordnung Counterflex nur für einen kleineren Teil des Fliegenwerfens repräsentativ.

*Hier sind deutlich mehr Bilder die Sekunde notwendig, als Dein Video sie zeigt. Bei z.B. 250 Bildern pro Sekunde sieht man vieles nicht, was 650 Bilder die Sekunde (oder mehr) aufdecken.
www.first-cast.de
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Re: Biegung der Fliegenrute

Beitrag von hshl »

Lieber Bernd,
ich bin nicht daran interessiert, jeden einzelnen Satz gegenseitig hin und her zu kommentieren.
Daran bin ich ebenso wenig interessiert. Ich denke, dass alle Argumente ausgetauscht sind.
Wie Du darauf kamst, dass ich (oder irgendein anderer Fliegenfischer) die Flexibiltät der Fliegenrute - ihr Biegeverhalten - als nicht wichtig und nicht vorteilhaft einstuften, bleibt mir ein Rätsel. Offensichtlich war diese Fehleinschätzung der Auslöser für Deine Arbeit, an deren Ergebnissen Du jetzt im Detail fest halten möchtest.
Da gab es überhaupt keine Fehleinschätzung. Auslöser meiner Arbeit war die festgestellte hohe Biegung der untersuchten Videosequenz, wie ich sie selbst nicht erwartet habe. Ob wir von Anfang an quasi "aneinander vorbeigeredet haben", halte ich angesichts der massiven Kritik von Deiner Seite für fraglich. Aber ich denke darüber können wir gerne den ambitionierten Leser selbst entscheiden lassen.
Ich habe wohl mehr als 100 000 Würfe von sehr vielen Fliegenfischern analysiert. Einen Wurf - frei vom Überschwingen der Rute - konnte ich niemals beobachten.

Nichts anderes habe ich geschrieben. Nur, dass dieser Nachteil erheblich gemindert werden kann.
Auch dies hast Du falsch interpretiert. Es ging (und geht) nur darum, im Wurfunterricht ein schnell verständliches und korrektes Konzept unterrichten zu können.
Auch darüber können wir getrost den ambitionierten Leser entscheiden lassen. :+++:

Beste Grüße zurück :wink: ,

Tobias
Zuletzt geändert von hshl am 23.02.2016, 07:29, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Biegung der Fliegenrute

Beitrag von DrMabuse »

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