Vom Bambus zur Rute

Viele der edlen Wekzeuge und Hilfmittel, mit denen wir bei unserem Hobby hantieren, müssen nicht unbedingt von der Stange aus dem Ladenregal sein.
Watstock, Schnurkorb, Kescher und Co. können auch aus eigener Produktion sein, die gemeinsam mit Freunden oder allein eisige Winterabende füllen kann.
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udokausk
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Beitrag von udokausk »

@Jürgen,
ich habe zwar keine Ahnung vom Rutenbau, und davon eine ganze Menge;-), aber das Mitlesen in der mir FremdenWelt (Zahnspangenstahl, Madenschrauben...) ist sehr spannend.
Den ganzen "Spam hier raus" und dann ist es DIE Geschichte!
Deine Berichterstattung und Dokumentation der Arbeiten dürfte weltweit einmalig sein!!!
Ich bin froh, bei einem Quasi-Weltmeister mitlesen zu können!
Ich halte jetzt aber wieder die Schn.. äh "Tastatur".
Gruß an Dich
Udo
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Mattes36
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Re: Komponenten bestellt

Beitrag von Mattes36 »

Hallo Jürgen,

ich konnte mich bisher zwar nicht so richtig für diese "Holz-Ruten" begeistern, aber das tut Deine Beschreibung des Baus einer solchen Rute umso mehr - wirklich schwer beeindruckend! :+++:
piscator hat geschrieben:Die Wartezeit vertreib ich mit einigen dünnen Lackschichten um den Blank zu versiegeln.
Wie machst Du das genau?

Bez. Splitcanes wird ja oft die Tauchlackierung erwähnt ... wird so nur der "nackige" Blank lackiert oder später auch die Wicklungen? Wie schützt man dann die Ringe und Beschläge vor dem Lack?

Danke & Gruß, Matthias
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Müller
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Beitrag von Müller »

uiuiui-ich dachte erst, das du dir die gerte abends vor'm fernseher schnitzen willst..........und jetzt sehe ich hier solch professionelles werkstattgetue :o

ich bin auf weiteres gespannt :+++:
wer babyrobben kloppt, der fi..t auch kinder!!!
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piscator
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Lackierung

Beitrag von piscator »

Moin,
Lackieren kann man auf mehrere Arten -- ich versuch das mal zusammenzufassen:

1) Lackschicht auf dem Blank soll verhindern, dass Feuchtigkeit, die ich ja mit viel Aufwand aus dem Bambus gezogen hat wieder eindringt. -- In wieweit das der Fall ist wird diskutiert.

Tauchlackierung gibt sicher die besten Ergebnisse ist aber aufwendig -- Man braucht einen Tank in Segmentlänge und viel verdünnten Lack (Schober Bootslack ist prima). Dann taucht man die Rutenteile in den Tank und zieht sie so langsam wieder heraus, dass der Lackfilm nicht reisst und damit der überschüssige Lack automatisch abgestreift wird.
Will man die Ringe mit tauchen, dann sollte man den Lack gleich nach dem Auftauchen wieder entfernen (von den Metallteilen -- trickreich). Für das langsame herausziehen kann man einen Motor benutzen (Geschwindigkeit ~5cm pro Min je nach Zähigkeit des Lackes). Achtung statische Aufladung des Raumes durch manche E-Motoren und Staub sammelt sich am Blank :evil: . Dann gibts die Super Methode mit einem zweiten Tank, der mit Wasser gefüllt ist und der unten einen Ablauf hat, der sich regeln lässt. Beide Tanks werden nebeneinander gestellt, unter der Decke gibts eine Umlenkrolle. Vom Blank im Lacktank läuft ein Haltefaden über die Umlenkrolle zu einem schweren-Schwimmer (Kork mit Blei schwimmt ist aber schwerer als der Blank) im Wassertank geführt. Lässt man jetzt das Wasser ab, dan sinkt der Schwimmer und der Blank hebt sich aus dem Tank. -- Entschuldigt die längliche Beschreibung -- hatte keine Lust Bilder zu malen.

Die dritte Methode ist Pinsel in staubfreiem Raum und ne ruhige Hand und keine hektischen Bewegungen. Wenn der Lack danach noch geschliffen und poliert wird gibt das auch prima Ergebnisse. So werd ich das machen.


Reihenfolge: Blank 2 Aufträge verdünnter Lack mit Pinsel und nach durchhärten fein anschleifen -- Dann Zierwicklungen alle 5 cm (4 Wicklungen Gossamer Seide -- halb so dick wie Gudebrod A) dann weitere 3 Lackschichten. Dann Ringe montieren und nur die Ringwindungen Lackieren (5 Schichten -- verdünnt).

TL, Juergen
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Mattes36
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Re: Lackierung

Beitrag von Mattes36 »

Hallo Jürgen,

vielen Dank für den interessanten und anschaulichen Einblick in die Lackiertechnik!
piscator hat geschrieben:Die dritte Methode ist Pinsel in staubfreiem Raum und ne ruhige Hand und keine hektischen Bewegungen. Wenn der Lack danach noch geschliffen und poliert wird gibt das auch prima Ergebnisse. So werd ich das machen.
Dazu habe ich zwei Fragen:

1) Wie bekommt man einen (Wohn-)Raum staubfrei? Allein mit Staubtuch und Staubsauger wohl kaum, oder?!

2) Kann man dem Lack durch Schleifen und Polieren wirklich ein besseres Finish geben, als dies ohne Nachbehandlung der Fall wäre?

Danke & Gruß, Matthias
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piscator
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Beitrag von piscator »

Moin,
zwei kurze antworten:
1) Staubfrei: Da gibts die Anekdote, dass der Meister aller Meister erstmal ne Stunde ruhig gesessen hat, bevor er anfing zu lackieren -- das ist aber nicht so mein Ding.
Ich mach das so: Nutze einen Raum ohne Teppichboden und reinige Ihn mit feuchtem Bodentuch --findet meine Frau gut-- dann nutze einen Zerstäuber und sprühe Wasser in die Luft, das bindet Staubpartikel und die sinken zu Boden -- findet meine Frau nicht so gut--. Dann ruhig hinsetzen und lackieren.

2) Pinselstriche, selbst bei langen zügigen Bewegungen bleiben unter Licht sichtbar. Die gehen mit feinem Schleifen weg (1000er) und das anschliessende Polieren mit Schleifpaste oder speziellem Poliertuch macht es dann wieder etwas glänzender. Kannten sind aber problematisch, deshalm immer mit Schleifklotz oder ähnlichem schleifen.
Ich hab einen breiten Stechbeitel, dessen plane Seite ich mit Teppichklebeband beklebe und dann ne Schicht 1000er Schmirgel drauf -- sozusagen ne 1000er Feile.
Ich find das übrigends gut, leicht mattierter Blank und lackglänzende Ringwicklungen. Sieht edel aus.

TL, Jürgen
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Troka
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Beitrag von Troka »

Moin Jürgen,

eine Frage: Warum hast du dich für die Handlackierung entschieden, die auf den ersten Blick einen scheinbar viel höheren Arbeitsaufwand bedeutet
wohin gegen sich die Erläuterung zu deiner "Lackiermaschine mit Schwimmertechnik" äußerst profimäßig las :?:


:wink: Jürgen
:wink: Jürgen

Manchmal kommt es besser, als man denkt!
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piscator
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Beitrag von piscator »

Hallo nochmal,
bei Serienproduktion oder wenn man mal 3 Ruten gleichzeitig in Arbeit hat (z.B. mit Kumpel basteln), dann lohnt sich das mit dem Tauchlack. Für nur eine Rute und dann 1 Jahr nichts ist das schlicht zu teuer -- 50€ sind da leicht im Eimer. Diese Lacke kosten ein Vermögen, ist ja für Holzbootbesitzer :lol: , Jürgen
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bulldogfish
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Beitrag von bulldogfish »

Das Problem Staub!!!
Für Lackierungen habe ich oft einen einfachen Trick angewandt. Feuchte Tücher, aber nich mühsam wischen, sondern einfach aufhängen. Ein feuchtes Tuch wirkt wie ein Magnet auf Staub. Wenig Bewegung im Raum ist natürlich auch zuträglich :+++: . Obacht auf die Luftfeuchte. Viele Lacke werden blind beim Aushärten, wenn die Luftfeuchte zu hoch ist. Also nich die gesamte Bettwäsche in der Lackierkabine aufhängen. ;)

TL Bull
alias Peter

Wat mut, dat mut!!!
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piscator
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Lackiertips

Beitrag von piscator »

Moin und danke,
werd ich wohl mal ausprobieren.
Noch ne Methode: Man baue sich ein Acrylkabinet, in das man die lackierte Rute hänge, dann von aussen mit Tuch reibe und statisch aufladen (das Kabinet). Dann zien die Wände den Staub an. Ist mir aber zu aufwendig.

Eine Lackschicht hab ich schon aufgetragen (mit Mikrofasertuch). So vertreib ich mir die Zeit, bis meine Teile kommen.

Noch ein Zeitvertreib:
Ich hab noch Hülsen und mir einen Brückenring bestellt (mit Moosachat-Einlage :D ) und auch oliv und helloliv als Bindeseide für eine blonde Rute. Nur was für eine Rute und Schnurklasse, ist noch offen -- Vorschläge?

Limits sind: 9ft und #7

TL, Jürgen
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Salmonking
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Beitrag von Salmonking »

Jürgen hat geschrieben:Limits sind: 9ft und #7
Du wolltest doch noch was zum Switchen

Vorschlag: 3tlg oder Griffverlängerung?
In jedem Geschöpf der Natur lebt das Wunderbare.
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piscator
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Ich hasse Pinsel!!!!!!

Beitrag von piscator »

Moin,
Inzwischen hab ich die Zierwicklungen auf den Blank gewickelt, alle 5cm eine Wicklung mit 4 Turns. Das kann sicher noch verbessert werden.

Beim anschliessenden Lacküberzug ging mir glatt eine Wicklung wieder auf :x . Und ich hasse Pinsel -- wieder hab ich zwei Pinselhaare übersehen, die sich aus dem Pinsel auf den Blank geschlichen haben :evil: . Na ja, war nicht die letzte Schicht sichert aber erstmal die Zierwicklungen, aber seht selbst:

Um die Wicklungen schön eng zusammenzuschieben hab ich mir ein kleines Werkzeug aus Bambus gemacht (ein Nagelhautschieber geht auch gut) -- guckstu hier
Jürgen
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piscator
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Nein, es geht noch nicht weiter, aber

Beitrag von piscator »

Ich denke ich weiss was ich als nächstes mache -- die geilste Rute ever!

aber zunächst mal ein kleiner Exkurs in die Theorie des Rutenbaus:

Bambus ist deswegen so gut geeignet, weil es ein unglaublich hohes Elastizitäts-Modul hat. Dabei ist die Dichte der Fibern aussen am Höchsten -- es kommt also darauf an möglichst die Aussenschicht zum Rutenbau zu benutzen. Da es aber nicht nur auf das E-Modul des Materials ankommt, sondern auch auf die Bauform sind Rohre besonders straff, da die Fibern weit entfernt vom Biegezentrum liegen.

Die Sechskantform ist daher nicht nur praktisch wg. der gleichseitigen Spleiße sondern kommt einem Kreis schon ziemlich nahe. Aber gibt es nicht auch andere Formen, die vielleicht besser geeignet sind?

Denken wir uns die Rute in viele kleine Segmente aufgeteilt. In jeder Rute muss jedes Segment die gesamte Masse vom Segment bis zur Schnurspitze beschleunigen (also z.B. das Ende des Handteils beschleunigt die Masse der gesamten Spitze plus die Schnur), oder die beschleunigten Massen der Spitze und der Schnur üben Stress auf das nächste Rutenteil aus. --- Ist die Masse klein, ist auch der Stress klein.
Konsequenz daraus sind hohle Bambusruten. Kann ich nicht!!!!!

Andere Ansätze sind Doppeltgebaute Ruten aus schichtverleimten Spleissen, in denen nur die äusseren Fibern verarbeitet werden. -- Bringt nichts!!! höheres E-Modul durch Gewicht aufgefressen.

Oder andere Querschnitte? Quads = Quadratisch (etwas besser aber sehr schwer zu bauen und braucht spezielle Form). Pentade biegt über auch über die Kanten, dadurch Fibern weiter entfernt vom Biegezentrum.

Oder -- und das werd ich mal angreifen -- Twisted (Spiral) Rute. Das wurde bereits vor fast 100 Jahren beschrieben. Wird professionell nicht gemacht, da zu aufwendig. Dabei wird ein Sechkant-Blank beim Verkleben verdreht und zwar genau um ein Segment (60°) pro Ring oder auch um 120°. Dann sitzen die Ringe in einer Flucht, aber es wird zum Teil über die Kanten gebogen und die Rute wird bei gleicher Masse viel straffer da höheres E-Modul.

Versuche dazu (von anderen) ergaben bei gleicher Verjüngung und Masse eine Rute, die eine bis 2 Schnurklassen höher wirft. Da muss ich noch ein paar Vorrichtungen basteln und ein paar Tests machen.
Designmässig könnte man den halben Bambus flämmen und dann hell dunkel Spleisse mischen -- könnte beim Verdrehen ganz lässig aussehen.

Schnurklasse und Rutenlänge lasse ich erstmal offen.

TL, Jürgen
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zum Schmunzeln

Beitrag von piscator »

Moin, falls ihr mal wissen wollt warum Bambus Ruten so teuer sind -- hier ist die Wahrheit: http://wagnerrods.com/poobah.html. Leider in englisch aber trotzdem wahr. Jürgen
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piscator
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Teile sind da!!

Beitrag von piscator »

Moin,
aber leider nicht alle -- kein Holzspacer für den Rollenhalter (so'n Sch...).
Auch kein Winding Check, aber da kommt man auch ohne aus, ist sowieso nur Zierde. Jedenfalls ist die Hülse dabei (Nickelsilber gebläut) und sieht gut aus. Die werde ich jetzt als Nächstes einschleifen und für die Montage vorbereiten (crowning). Das zeig ich euch dann. Mit dem Zoll war das heute morgen recht einfach -- die Jungs waren ganz entspannt und es hat nur 30' gedauert --.

Also bis in Kürze, Jürgen
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