Der Vejle-Fjord ist tot.

Eines der Lieblings Urlaubs- und Angelländer der Deutschen. Neben den dänischen Küsten sind Auen und Flüsse die Hauptanziehung von Spin- und Fliegenfischern. Lest hier, was man in Dänemark erleben kann.
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IdEfIx
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Der Vejle-Fjord ist tot.

Beitrag von IdEfIx »

Der Vejle-Fjord ist tot. :!: Jetzt wird der Fjord beigesetzt, in der Hoffnung, wiederbelebt zu werden.

Vom Fjord bist du gekommen, zum Fjord musst du bleiben, vom Fjord musst du wieder aufstehen. Am 6. April 2024 wird der Vejle Fjord offiziell begraben.

Programm zur Beerdigung des Vejle Fjords

- Zeit und Ort: Die Beerdigung findet am Samstag, den 6. April, im Skyttehushaven statt und dauert von 11 bis ca. 11.45 Uhr. Sara Dedieu, Priesterin in St. Die St.-Johannes-Kirche in Vejle wird im Anschluss an die Beerdigung eine „Rede der Hoffnung“ halten.
- Ansprachen: Autor Carsten Jensen, Kaare Manniche Ebert, wohnhaft in Vejle und Fischbiologe beim Dänischen Sportfischerverband, Søren Peschardt, Ausschussvorsitzender und Mitglied des Stadtrats von Vejle.
- Bestattungsbier und Grabsteinniederlegung: Nach der Beerdigung gibt es ein Grabbier mit der Gelegenheit, sich endgültig zu verabschieden, und lokale Taucher vom TaucherclubNuser werden einen Grabstein auf den Meeresgrund versenken.

Das Leben im Vejle-Fjord, der einst reich an Fisch-, Tier- und Pflanzenarten war, ist zurückgegangen und der Fjord ist jetzt in einem sauerstoffarmen und toten Zustand.
Dies hat Greenpeace und den dänischen Sportfischerverband dazu veranlasst, gemeinsam mit einem örtlichen Priester, Tauchern und anderen örtlichen Kräften eine Beerdigung für den Vejle-Fjord zu organisieren. Dies geschieht zum einen, um den Verlust der Natur zu betrauern, zum anderen aber auch in der Hoffnung, dem Fjord neues Leben einzuhauchen.

Die Beerdigung findet am Samstag, den 6. April, im Skyttehushaven am Fjord statt 11, und jeder ist herzlich willkommen, mitzumachen. Der Fischbiologe im Dänischen Sportfischerverband, Kaare Manniche Ebert, wird während der Beerdigung eine Rede halten. Der Vejle-Fjord ist für viele Angler ein beliebter Platz. Der Fjord ist seit Generationen ein Hotspot für Angler, aber in den letzten 15 Jahren ist es immer schlimmer geworden. Heute sind die Fische weitgehend verschwunden. Meerforellen gehören zu den wenigen Fischen, die man im Vejle Fjord noch vereinzelt fangen kann.

Im Frühjahr 2023 schrieb das Magazin Politiken über den Zustand des Fjords, wo mehr als 70 Stunden Aufzeichnung einen eingestürzten Vejle-Fjord enthüllten, der weitgehend ohne Leben war. Später in diesem Jahr kam es in dänischen Gewässern zum schlimmsten Sauerstoffverlust seit 20 Jahren.

Die Todesursache des Vejle-Fjords ist hauptsächlich der heftige Austritt von Stickstoff aus landwirtschaftlichen Düngemitteln. Auf diesen Sektor entfallen 70 Prozent der Stickstoffeinträge vom Land in die Meeresumwelt. Betrachtet man die Einleitung vor Ort, so stammen laut der Universität Süddänemark 82 Prozent der Einleitung in den Vejle-Fjord aus landwirtschaftlichem Stickstoff, der aus dem Mist von den Feldern ausgewaschen wird.

Die kargen Wüstenlandschaften, die sich auf dem Meeresboden ausgebreitet haben, zeugen nicht nur von einer Naturkrise im Vejle-Fjord. Fjorde und Küstengewässer befinden sich im ganzen Land in einer Krise, nur 5 von 109 Gewässern befinden sich heute in einem sogenannten „guten ökologischen Zustand“.

Quelle & weiterlesen ... https://www.sportsfiskeren.dk/natur-og- ... -genopstaa
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antidotepp
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Re: Der Vejle-Fjord ist tot.

Beitrag von antidotepp »

Hej,

hatten das Thema glaub schon letzten Sommer. Durch Zufall bin ich dabei auch selbst mit Wohnmobil dort vorbeigefahren und konnte einen Blick hineinwerfen. Eigentlich ein wunderschöner Ort, mit tollen anglerischen Möglichkeiten.
Leider war das mal so.
Aber vielleicht kommt ja auch da mal ein politisches und ökologisches Umdenken und der Ort kann wieder aktiviert werden.
Es wäre jedenfalls wünschens- und erstrebenswert.


Grüße Christian
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IdEfIx
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Re: Der Vejle-Fjord ist tot.

Beitrag von IdEfIx »

Heute in der FAZ: Verschmutzung der Ostsee Totes Meer

Der dänische Vejle Fjord ist kollabiert. Fische gibt es kaum noch. Seegras sucht man vergeblich. Vielen Buchten der Ostsee droht ein ähnliches Schicksal. Doch an den Ursachen ändert sich nichts.
Vor den kleinen roten Holzhütten sitzen ein paar Männer in der Morgensonne. Am Steg vor ihnen liegen Boote, aber raus zum Fischen fährt heute keiner. Es gebe keine Fische mehr hier im Vejle Fjord, sagt Benny Villadsen, der Mitglied im örtlichen Amateurfischerverein ist, zu dem das Gelände gehört. Villadsen lebt seit Ende der Neunzigerjahre in Vejle. Damals sei am Steg alles voller Seegras gewesen, sagt er, man habe mit den Booten erst mal zwei-, dreihundert Meter rauspaddeln müssen, damit sich all die Pflanzen nicht in der Motorschraube verhedderten. Heute? Unter Wasser alles kahl, die Bucht sei tot.

Unterwasseraufnahmen aus dem Vejle Fjord sorgten kürzlich in Dänemark für Aufsehen. Forscher hatten die Bucht kartographiert und mit einer Art Schlitten unter Wasser 70 Stunden Filmmaterial aufgenommen. Sie sahen dabei nur einen einzigen Fisch. Der Vejle Fjord dürfte Forschern zufolge der Endpunkt einer Entwicklung sein, die vielen Regionen in der Ostsee droht. Schon länger gibt es in dem Meer sogenannte Todeszonen ohne Sauerstoff. Lange Zeit waren sie nur im tiefen Wasser. Doch sie werden mehr, und es gibt sie zunehmend auch küstennah. Grund ist vor allem die anhaltende Einleitung von Nitraten. Hinzu kommen Überfischung und Erwärmung.

Das Ökosystem ist komplett aus dem Gleichgewicht“ „Lange hat das Wasser alles weggesteckt, vor fünf bis sechs Jahren aber ist es kollabiert“, sagt Mads Fjeldsø Christensen. Er ist Biologe und arbeitet bei der Stadt Vejle. „Das Ökosystem ist komplett aus dem Gleichgewicht. Im Vejle Fjord gibt es keine Fische mehr“, sagt er. Kein Dorsch, keine Plattfische, gar nichts. Für sie sei ein Leben am Grund unmöglich, dort gebe es kaum noch Sauerstoff. Ab und an verirre sich an der Oberfläche noch ein Fisch in die Förde – und verschwinde dann wieder.

Christensen fährt mit uns raus, das Boot steuert Villadsen, der Mann vom Fischerverein. Die Umgebung ist idyllisch: Vorbei ziehen einstöckige Häuschen, in den Gärten am Mast der Wimpel mit dem Dannebrog, der dänischen Flagge. Christensen deutet auf ein größeres Haus, das gehöre den Besitzern der Lego-Firma, sagt er, einer der reichsten Familien der Region. Das Haus ist nicht riesig, und direkt daneben befindet sich ein öffentlicher Strand. „Ihr solltet das Gebäude mal von der Rückseite sehen“, sagt Christensen und lacht. In Dänemark stellt man seinen Reichtum nicht zur Schau.

Christensen überprüft an diesem Tag die Muschelzucht draußen im Fjord. Sie ist Teil eines Projekts der Kommune, das den Niedergang des Fjords aufhalten soll. Es wird überwiegend von einer privaten Stiftung finanziert. Dafür werden Miesmuscheln gezüchtet und später wieder ausgesetzt, Steinhaufen im Wasser errichtet und Seegras ausgepflanzt. Alles in der Hoffnung, so wieder Leben in den Meeresarm zu bringen. Christensen beugt sich vom Bootsrand hinab, hebt ein Seil hoch, das an zweien der Hunderten Bojen befestigt ist, die hier im Wasser liegen. Am Seil befinden sich Tausende kleine schwarze Pünktchen. Es sind winzige Miesmuscheln. Bisher sehe es gut aus, sagt Christensen und lacht. Die Muscheln werden später, wenn sie größer sind, von einem Boot aus eingesammelt und an bestimmten Stellen ins Wasser gekippt. Von dort sollen sie sich dann ausbreiten, so zumindest die Theorie. „So kreieren wir Leben auf dem Grund des Fjords“, sagt Christensen. Allerdings sei noch unklar, ob sich die Muschelbestände dann wirklich von selbst regenerierten.

Von den Seegrasflächen, die es einst in der Förde gab, sind noch etwa zehn Prozent vorhanden – mit weitreichenden Folgen für das Leben unter Wasser, denn Seegraswiesen gelten als Kindergarten für Fische. Zudem speichern sie große Mengen von Kohlendioxid. Im Rahmen des Projektes wird Seegras ausgepflanzt. Das ist mühsam, denn dafür muss jede einzelne Pflanze mit kleinen Nadeln von Tauchern im Boden verankert werden. Weil es in tieferen Schichten aufgrund des trüben, nährstoffreichen Wassers nicht genügend Licht gibt, kann das Seegras nur in einer Tiefe von einem bis 1,5 Metern gepflanzt werden. Weiter unten würde es sofort eingehen. Bisher wurde eine Fläche von insgesamt rund 5,7 Hektar bepflanzt. Hilfe kam dabei von Freiwilligen unter anderem aus Marburg. Christensen sagt dazu, das Engagement aus Deutschland habe ihn „umgehauen“. Wenn er in Dänemark Freiwillige suchen würde für eine Aktion in Deutschland, würden kaum so viele helfen.

Zudem wurden im Rahmen des Projekts eigens aus Schweden angekarrte Steine in den Fjord gekippt, um wieder Riffe und damit Habitate für Fische zu generieren. 8750 Steine waren es im vergangenen Jahr. Das ist etwas absurd, schließlich hatte man über Jahrzehnte aus dem Fjord alle Steine herausgefischt. Aber ohne Steine und Buchten gibt es unter Wasser kein Leben.

Riesiger Krabbenbestand Die Bedingungen auf dem Boden des Fjords sind miserabel: Die hohe Nitratbelastung durch den Eintrag von Dünger sorgt für Algenwachstum, deren Verrottung wiederum viel Sauerstoff verbraucht. Drei bis vier Meter tief ist die Matschschicht teilweise in der Förde. Dort gibt es kaum Fische, kaum noch Seegras, kaum noch Muscheln. Dafür Unmengen an Krabben. Deren Zahl sei „explodiert“, sagt Christensen. 35 Tonnen Krabben haben sie mit Reusen aus der Bucht gefischt, denn die Krabben fressen die kleinen Fische, Muscheln und knabberten an den Seegraswurzeln. Jede weibliche Krabbe könne 200.000 Eier legen, pro Quadratmeter in der Förde gebe es rund drei Krabben, das mache etwa 100 Millionen insgesamt. Irgendwann hätten sie aufgegeben, die Tiere zu fangen, sagt Christensen. „Das müssen die Fische machen.“

Seine Hoffnung ist, dass das Ökosystem im Fjord mit etwas Anstupsen durch das Projekt wieder ins Laufen kommt und sich selbst regeneriert. Vom „Kickstart“ spricht er. Doch gibt es Anlass zur Sorge: Das Projekt, das Forscher der Universität Süddänemark begleiten, gibt es seit vier Jahren. Langsam müsste eine Ausbreitung des Seegrases feststellbar, die nächste Generation der Muscheln zu sehen sein, und auch die Fische müssten wieder zurückkommen. „Aber das sehen wir bisher nicht“, sagt Christensen. Was sie hingegen sehen: Algen, die rasch auf den eben drapierten Steinen wachsen. Manchmal sogar Algen, die auf Fischen wachsen, wenn es sie denn noch gibt.

Hauptproblem aus Sicht des Biologen ist, dass sich an den Rahmenbedingungen nichts ändert. An den vielen Nitraten, die über den Fluss in die Bucht kommen und das Algenwachstum anregen. In Dänemark würden die Flüsse renaturiert, die Heidelandschaft wiederhergestellt, die Wälder geschützt, über das Meer aber werde kaum diskutiert, sagt Christensen. Erst jetzt erfolge das nach und nach, nachdem kaum einer mehr einen Fisch fange, auch die Amateurfischer nicht. „Wüssten die Leute, wie es unter Wasser aussieht, wäre schon viel früher Druck entstanden“, sagt er.

Christensen schimpft über die Schweinezucht und die Agrarindustrie, über die 18 Millionen Schweine in einem Land mit knapp sechs Millionen Einwohnern. Der Dung landet auf den Feldern, das belastete Wasser gelangt über die Flüsse ins Meer. „Wir haben unser Meer wie eine Müllhalde behandelt. Und jetzt müssen wir zuschauen, wie es kollabiert“, sagt er. Die Landwirtschaft sei für 82 Prozent der Verschmutzung im Vejle Fjord verantwortlich, mehr als zwei Drittel davon komme über den Fluss.

Nachdem das Video aus der Förde mit dem einsamen Fisch publik wurde, reagierte Dänemarks Regierung. Es sei beängstigend, wenn der Meeresboden wie eine Wüste aussehe und Jahr für Jahr von Sauerstoffmangel und Fischsterben zu hören sei, sagte vor einigen Wochen Dänemarks Umweltminister Magnus Heunicke. Er gab damals bekannt, dass weitere Gewässer renaturiert, der Stickstoff reduziert und Barrieren in Gewässern reduziert werden sollen. Vom dänischen Naturschutzverband hieß es dazu prompt, das sei viel zu wenig.

„Wir warten seit Jahren auf die Regierung und nichts passiert“, sagt Christensen. Auch die EU bleibe untätig. „Fuck EU“, hätten sie sich irgendwann gesagt, dann müssten sie eben lokal tätig werden. Ihr Projekt wird vermutlich verlängert, dann aber mit breiterem Ansatz. Denn in Vejle wird auch überlegt, wie man sich gegen den steigenden Meeresspiegel wappnen kann.

Die Förde steht für viele Buchten in der Ostsee. Immer wieder gibt es auch andernorts Berichte über Sauerstoffarmut. So wurden etwa in der Eckernförder Bucht kürzlich viele tote Schollen angeschwemmt. Ursache waren wohl Westwinde gewesen, die das sauerstoffreiche Oberflächenwasser aus der Bucht getrieben hatten, zurück blieb Wasser, das die Fische verenden ließ. In Liepaja in Lettland führte ein Unfall Anfang dieser Woche dazu, dass schwefelhaltiger Schlamm in die Ostsee geschwemmt wurde. Solche kleinen und großen Katastrophen kommen zum schleichenden Tod hinzu.

„Auch die Flensburger Förde steht vor dem Kippen“, sagt Stephan Kleinschmidt, Dezernent für Projektkoordinierung in Flensburg und zugleich Stadtrat und Vizebürgermeister im dänischen Sønderborg, wo er lebt. Er wisse, dass grenzüberschreitende Zusammenarbeit viel Geduld erfordere, zugleich sei in der Sache Eile geboten, sagt Kleinschmidt. Vejle sei ein Vorbild, in Flensburg plane man ein ähnliches Projekt: mit neuen Steinriffen und der Auspflanzung von Seegras, gefördert hoffentlich durch EU-Gelder. Allerdings frühestens ab dem kommenden Jahr. Und auch in Flensburg ist klar: Wenn an der Ursache der schlechten Wasserqualität nichts geändert wird, helfen auch derlei Projekte wenig. Notwendig seien dafür weniger Maßnahmen im Wasser als an Land, sagt Kleinschmidt. „Die Zeit drängt.“

Bis vor wenigen Jahren wurden in der Flensburger Förde noch Miesmuscheln gefischt, man riss sie mit Netzen aus dem Boden – mit gravierenden Folgen für das Leben auch anderer Tiere auf dem Meeresgrund. In der Innenförde ist das seit 2019 untersagt. Kürzlich hat die dänische Regierung angekündigt, die Muschelfischerei auch auf dänischer Seite der Förde sowie im Vejle Fjord zu untersagen. Allerdings kommt der Schritt reichlich spät – in beiden Förden gibt es kaum noch Miesmuscheln.

Forscher, mit denen man darüber spricht, halten den Kipppunkt unter Wasser schon längst für überschritten – mit unabsehbaren Folgen. Thorsten Reusch, Ökologe am Helmholtz-Zen­trum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR) sagt, sauerstoffarme „Todeszonen“, in denen keine Wirbeltiere leben können, breiteten sich in tiefen Bereichen der Ostsee immer weiter aus. Rund zehn Prozent der Ostsee seien davon betroffen. Doch gebe es diese „Todeszonen“ mittlerweile zunehmend auch in flacheren Bereichen, wie etwa dem Vejle Fjord. Die sauerstoffarmen Gebiete in flacheren Bereichen seien „episodisch“, je nach Strömung, Saison und Wind.

Hauptursache dafür ist laut Reusch die zu hohe Nährstoffeinleitung, hinzu komme aber eine zunehmende Erwärmung, die dazu führe, dass die Thermoschichtung starrer werde, die Umwälzung des Wassers fehle. Dadurch wüchsen die Algen noch besser – und die Mikroben verbrauchten dann noch mehr Sauerstoff. In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich die Ostsee demnach um ein bis anderthalb Grad erwärmt. Bisher kam das Meer damit erstaunlich gut zurecht. Aber wie das weitergeht, ist unklar.

Mit Sorge blicken Forscher derzeit auf die aktuelle enorme globale Erwärmung, die sich auch im Nordatlantik zeigt. Der war zuletzt laut Reusch je nach Region bis zu fünf Grad wärmer, als er eigentlich um die Jahreszeit sein sollte. Das sei äußerst beunruhigend und überrasche fast alle Ozeanografen, sagt Reusch. Vielleicht liege das daran, dass die Meere – die als eine Art Klimaanlage funktionierten und Wärme speicherten – nun gewissermaßen „voll“ seien. „Die Klimaanlage schafft’s nicht mehr.“

Artenarmes Ökosystem Ostsee - Hauptgrund für die prekären Fischbestände in der Ostsee aber sei vor allem die Überfischung, so Reusch. Jahrelang seien zu hohe Fangquoten durchgesetzt worden. Er verweist darauf, dass es derzeit viele Schollen gibt – zumindest in jenen Gebieten, in denen noch ausreichend Sauerstoff vorhanden ist. „Die Scholle freut sich, dass der Dorsch weg ist“, sagt auch Rainer Froese, Meeresbiologe beim GEOMAR in Kiel. Seinen Angaben nach sind die Bestände von Hering und Dorsch „massiv überfischt trotz regelmäßiger Warnungen“. Die Ostsee sei ein ohnehin artenarmes Ökosystem. Fehlten darin einige wichtige Arten, gerate alles aus dem Gleichgewicht. Plattfische hätten mittlerweile so gut wie keine Räuber mehr. „Die vermehren sich wie verrückt, und wir haben keine Ahnung, was mit dem gesamten System passiert.“ Noch kämen die Plattfische auch mit der Erwärmung zurecht, aber wer weiß, wie lange.

Froese bezeichnet den Zustand der Ostsee als „katastrophal“, notwendig seien Fangstopps, zudem eine drastische Reduzierung des Nitrateinflusses. Froese arbeitet für seine Forschungen mit Fischern in der Kieler Bucht zusammen. Die berichteten regelmäßig, dass ihre Netze beim Einholen nach Gülle stänken. Kein Wunder, komme die Gülle doch bei Regen direkt von den Feldern über die Flüsse in die Ostsee und bleibe mit dem Süßwasser eher an der Oberfläche.

„Völlig verfehlte Politik“ - Ist das System reparabel? „Man muss hoffen, dass ein Wunder passiert“, sagt Froese. Das System sei „angeschlagen und außer Kontrolle“. Was die Fischbestände angehe, sei zu hoffen, dass die sehr kleinen Bestände von Dorsch, Sprotten und Hering zufällig zu den richtigen Bedingungen am richtigen Ort ablaichten und sich so etwas stabilisierten. Notwendig wäre dafür, dass sie einige Jahre gar nicht mehr gefischt werden dürften.

Wie viele Fische entnommen werden dürfen, entscheidet die EU jährlich auf Grundlage der Daten des Internationalen Rats für Meeresforschung (ICES). Der listet im Internet die aktuellen Bestände und den „Fischereidruck“ auf, den ein Bestand aushalten kann. An den Daten wird deutlich, dass etwa der Dorsch seit Jahren gefährdet ist, auch damals schon, als die Fänge noch nicht genügend reduziert wurden. Über Jahrzehnte seien die vorgegebenen Fänge höher als die Zuwächse von Dorsch und Hering gewesen, sagt Froese. Das sei eine „völlig verfehlte Politik“.

Seit Jahren gebe es Warnungen, jedoch „überhaupt kein Problembewusstsein.“ „Die Hoffnung, dass sich die Politik ändert, habe ich nicht mehr.“ Was sich neben der Überfischung vor allem ändern müsse, sei die Landwirtschaft, sagt auch Reusch. Was die Einleitung von Ni­traten angehe, unterschieden sich Deutschland und Dänemark kaum. Zur Einleitung von Nährstoffen in das Wasser gibt es EU-Vorgaben, doch die werden regelmäßig überschritten. Gegen die Bundesrepublik etwa lief bis vor Kurzem ein EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen zu hoher Nitratwerte im Grundwasser. Das abzustellen bezeichnet Reusch als „Jahrhundertaufgabe“, und dazu gehöre eine veränderte Landwirtschaft. Er wolle kein „Bauernbashing“ betreiben, sagt Reusch. Aber es gebe nun mal kein Menschenrecht auf Fleisch. Wer ein Schnitzel für 3,99 Euro das Kilo kaufe, müsse sich nicht wundern, dass das schlimme Folgen für die Umwelt habe.

Quelle & Bilder: https://zeitung.faz.net/faz/politik/202 ... obal-de-DE
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antidotepp
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Re: Der Vejle-Fjord ist tot.

Beitrag von antidotepp »

Danke Dir, Rudi!

Grüße
Christian
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Jens aus Lütjenburg
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Re: Der Vejle-Fjord ist tot.

Beitrag von Jens aus Lütjenburg »

Danke Rudi,

ein sehr interessanter Artikel zum Zustand der Ostsee.

LG
Jens
Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu. :s+3: :wink:

Solange die Schafe noch Locken haben ist es kein Sturm. 8| ;)
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Ned Flanders
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Re: Der Vejle-Fjord ist tot.

Beitrag von Ned Flanders »

Danke, interessant. Letztens bin ich über diesen Artikel in der Vier-Buchstaben-Zeitung gestolpert. Der fiel mir beim Lesen eben ein:
https://www.bild.de/ratgeber/2024/ratge ... .bild.html

Schönes Wochenende!
Ich möchte nochmal dasselbe wie er sagen - aber etwas umständlicher.
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