Patagonien auf eigene Faust – 2.Teil

Hier geht es um Traumziel, Traumreisen und Traumfische aus aller Welt. Wer hätte nicht gerne Bonefish am Golf von Mexiko, Lachs in Kanada oder die fetten Salmoniden in Patagonien. Wer sie hatte - soll unbedingt darüber berichten.
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gonefishing
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Patagonien auf eigene Faust – 2.Teil

Beitrag von gonefishing »

Aus der Mitte entspringt ein Fluss

Meine erste Station ist ein kleiner Fluss zwischen Punta Arenas und Puerto Natales, Rio del Medio. Ich habe ihn auf einer Karte entdeckt und gesehen dass eine Schotterstrasse hinführt, zur Fischerei dort habe ich gar nichts gefunden. Gleich zu Beginn ein kleines Abenteuer, was wird mich da erwarten?
Ich finde den Abzweiger aber die Nummer der Strasse stimmt nicht mit meiner Karte überein. Muss stimmen, das ist über 100km die einzige öffentliche Strasse die nach links abzweigt. Also ab auf die Schotterpiste.
Ist mir auf der Hauptstrasse zumindest ab und zu noch ein Fahrzeug begegnet, hier nichts und niemand, genial! Nach etlichen Kilometern geht es einen Hügel hinunter und es kommt eine Brücke, das muss mein Fluss sein!
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Wunderschön aber ich habe ihn mir irgendwie ein bischen grösser vorgestellt. Ich steige aus und schaue ihn mir genauer an. Forellen sind auf jeden Fall drin, eher kleine aber in den Löchern und Unterspülungen hockt bestimmt auch die ein oder andere grössere. Ich habe nur keine Ahnung wie ich bei dem Wind (bei uns würde das Sturm heissen) mit der Fliege an so einem kleinen Bach fischen soll.
Ich schaue noch einmal in mein ‚Roadbook’ auf das Satellitenbild. Irgendwas stimmt hier nicht, kurz vor der Brücke sollten sich zwei Zuflüsse vereinigen aber davon ist nichts zu sehen. Also mal noch ein Stück weiterfahren...
Meine Augen beginnen zu leuchten, da ist ‚mein’ Fluss! Und was für einer, ein wunderschöner Fluss in einer traumhaften Landschaft und überall steigen Forellen, der Hammer! Gleich bei der Brücke ist jede Menge Platz wo ich später mein Zelt aufstellen kann und alles ist perfekt!
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Ich springe in meine Watklamotten, montiere die 3er Rute und los geht’s. Und schon beim 4. oder 5. Wurf... treffe ich den Fluss. Gar nicht so einfach mit leichtem Gerät und Trockenfliege bei dem Wind, wenn ich die Rutenspitze hochhalte bleibt die gesamte Keule samt Vorfach in der Luft. Egal, den Wind habe ich erwartet, der gehört dazu.
Willkommen in Patagonien!
Mit der Zeit arrangiere ich mich mit dem Wind und die Würfe werden immer besser, platzierte Würfe sind aber nicht möglich. Ich habe jede Menge Bisse, fange aber nur ein paar kleine und mittlere Forellen da ich wegen dem Wind flussabwärts werfen muss und meistens die Fliege beim Anschlag aus dem Maul ziehe. Das Gewässerbett hat wenig Struktur aber in den Löchern an unterspülten Ufern sitzen bestimmt auch ganz dicke, da treffe ich aber nicht hin.
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Mit Streamer oder Nymphe ist bestimmt mehr möglich. Aber komisch, das will ich gar nicht. Die Forellen sind wunderschön gezeichnet und machen an der leichten Rute im kristallklaren Wasser jede Menge Spass. Ich bin total glücklich und entspannt, es ist perfekt, besser als ich es erhofft habe und noch mehr wäre fast zu viel.
In einiger Entfernung laufen ein paar Guanakos vorbei, hoch über den Felsen kreist ein Kondor. Das ist zu viel, ich muss mich hinsetzen. Ich hole ein Bier aus meiner Watjacke und geniesse einfach. Ich bin absolut glücklich und entspannt, es ist der erste Urlaubstag und ich bin schon zu 100% angekommen. Es ist unglaublich, das dauert bei mir bei so einer langen Anreise sonst Tage bis Wochen. Ist aus dem Traum Wirklichkeit geworden oder träume ich? Ich muss mich tatsächlich selbst zwicken...
Es ist Wirklichkeit, es ist ein Traum!
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Rio del Medio, was heisst das eigentlich? Fluss der Mitte? Aus der Mitte entspringt ein Fluss! Eines meiner Lieblingsbücher, das ist alles so unglaublich. Ich sitze am Fluss der Mitte und habe meine Mitte gefunden. Ich habe es gewagt in’s Unbekannte aufzubrechen und werde so übermässig belohnt, mir fehlen die Worte...
Die Zeit vergeht im Flug und es wird schon Abend. Ausserdem werden meine Würfe immer schlechter da ich meine Finger kaum mehr spüre. Vor lauter Euphorie habe ich gar nicht bemerkt wie kalt es ist. Also zurück zum Auto, das Zelt aufbauen und ein paar Chorizzos braten. Männerhaushalt...
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Ich dachte ich bin schlau und baue das Zelt im Windschatten des Autos auf, aber die so einem Wind gibt auch ein grosser Jeep keinen richtigen Windschatten. Es führt nur dazu das der Wind mal von links, mal von recht und mal von oben kommt. Die Zeltwände knattern und knallen unregelmässig, an Einschlafen nicht zu denken. Zum Glück habe ich mir ein sturmsicheres Zelt gekauft und es trotzdem in Windrichtung aufgebaut. Ich fahre das Auto weg, das Zelt steht super im Wind und das gleichmässige Flattern ist fast angenehmer als totale Stille. Ich falle in einen tiefen traumlosen Schlaf und wache in meinem Traum wieder auf.
Es ist alles noch da, der Fluss, die Landschaft und auch der Wind, der ist sogar noch stärker geworden. Da ich in der Gegend noch zwei Flüsse auf meiner Liste habe, die windgeschützter liegen sollten entschliesse ich mich beim Kaffee gleich weiterzufahren. Das war gestern perfekt, besser kann es nicht werden und das Unbekannte lockt...
Die beiden möglichen Zufahrten zum Rio Penitente entpuppen sich als Zufahrten zu Fishing-Lodges. Naja, es kann nicht alles klappen, es kommt ja noch die Strassenbrücke. Dort ist der Fluss aber sehr offen und der Wind ist brutal und eiskalt.
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Also weiter zum Rio Rubens, der sollte nach meinem Roadbook durch ein bewaldetes Tal führen und über eine Nebenstrasse besser erschlossen sein.
So ist es dann auch, was für ein Fluss, der Traum geht weiter!
Der Fluss schlängelt sich durch ein weites Tal, einige baumbestandene Weiden, alte Südbuchenwälder und dazu noch ein Regenbogen.
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Eine Märchenlandschaft und es riecht geradezu nach dicken Forellen. Tiefe Gumpen und ein Holzverhau am anderen, ich weiss gar nicht wo ich hinwerfen soll, so viele potentielle Standplätze hat es auf kleinstem Raum. Aber irgendwie wollen die Forellen gar nicht, ich sehe sie teilweise und kann sie gut anwerfen, aber keine steigt nach meiner Fliege. Ich probiere verschiedene Muster durch, nada. Ich habe wieder keine Lust auf Streamer oder Nymphe zu wechseln, brächte zwar vielleicht mehr Bisse, aber sicher auch jede Menge Hänger. Ich nehme wieder die grosse Stimulator, die hat doch gestern auch funktioniert.
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Nach einigen Stunden werden die Forellen dann doch aktiv, ich kann innerhalb kurzer Zeit einige wunderschöne, wenn auch nicht allzu grosse, Exemplare fangen. Erstaunlich ist dass die Forellen im kristallklaren Rio del Medio eine auffällig kupferfarbene Färbung hatten, und hier im rötlichbraunen Rio Rubens sind sie weniger intensiv gefärbt.
Was möglich wäre darf ich auch sehen als sich ein riesiger Schatten aus einem Holzverhau löst, aber wieder abdreht.
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Nach nicht mal einer Stunde ist der Zauber aber wieder vorbei. Es ist kalt und schüttet immer wieder, so dass ich beschliesse zusammenzupacken und noch ein Stück zu fahren, denn ich habe am nächsten Tag einen langen Weg vor mir. Meinen ursprünglichen Plan als nächste Station den Torres del Paine Nationalpark anzufahren musste ich ändern, da zur gewünschten Zeit am gewünschten Ort kein bezahlbares Zimmer mehr frei war. Aber ich konnte diese Station ohne einen grösseren Umweg machen zu müssen an’s Ende meiner Tour stellen, was letztendlich, wie alles auf dieser Reise, absolut perfekt war.
Gruss, Matthias
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gonefishing
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Re: Patagonien auf eigene Faust – 2.Teil

Beitrag von gonefishing »

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Und so ging es am nächsten Tag bereits nach El Calafate / Argentinien. Die Strecke führt durch eine grandiose Landschaft und es ging schneller als gedacht, da der berüchtigten Ruta 40 der Zahn gezogen wurde und sie über weite Strecken asphaltiert ist. Ich nahm allerdings einen ‚Shortcut’ über eine Schotterpiste (kürzere Strecke, aber längere Fahrtzeit), was wieder einmal die richtige Entscheidung war.
Als ich am Rio del Medio den Kondor gesehen habe dachte ich kurz ‚doch dumm dass ich die Kamera mit Teleobjektiv zu Hause gelassen habe’, dann aber gleich ‚ach was, die läge jetzt im Auto und wer weiss was noch kommt’.
Nun kam ich an eine kleine Lagune mit Schafen, Gänsen, Flamingos und jeder Menge Wasservögeln.
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Dahinter ein kleiner Hügel und im Aufwind an der windzugewandten Seite da spielt sich doch eine ganze Truppe Kondore. Ich mache einige Aufnahmen aus der Entfernung und fahre dann vorsichtig hin, steige aus, gehe auf den Hügel und das stört sie nicht im Geringsten! Die riesigen Vögel fliegen nur wenige Meter über mir, so dass ich mir Gedanken mache ob die wirklich nur Aas fressen...
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Es ist unglaublich, man lernt auf so einer Reise ja sehr viel andere Reisende kennen und Tiere sind immer ein Thema, und niemand ist auch nur annähernd so nahe an einen Kondor rangekommen. Über mir kreisen gleich 6 oder 7, Hans im Glück...
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zum 3.Teil
Zuletzt geändert von gonefishing am 02.03.2014, 21:19, insgesamt 2-mal geändert.
Gruss, Matthias
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janw
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Re: Patagonien auf eigene Faust – 2.Teil

Beitrag von janw »

...wunderbar, danke und weiter so.... :+++:

:wink:
LG Jan
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Uecki
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Re: Patagonien auf eigene Faust – 2.Teil

Beitrag von Uecki »

Geil :l:
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Maqua
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Re: Patagonien auf eigene Faust – 2.Teil

Beitrag von Maqua »

Danke Matthias, ein Traum! :+++: :l:
Gruss Manni :wink:





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Svensk
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Re: Patagonien auf eigene Faust – 2.Teil

Beitrag von Svensk »

WOW :o Toller Bericht :+++:
Tight Lines wünscht....... Anders

Man sollte sich die Ruhe und Nervenstärke eines Stuhles zulegen. Der muss schließlich auch mit jedem Ar*** klar kommen!
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Fliegenjeck
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Re: Patagonien auf eigene Faust – 2.Teil

Beitrag von Fliegenjeck »

Hallöchen Allerseits,
Leck mich fett, besser als Karneval, wer hätte das gedacht.... :ironie: Das Land is ja der Hammer...
Blos nich aufhören , komm wir sammeln , damit noch mehr Berichte kommen... :grin:
MfG Nobby...
Neulich hat mir einer seinen geheimen Angelplatz verraten. Er war so geheim, nicht mal die Fische kannten ihn. :+grin:
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Dornhai
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Re: Patagonien auf eigene Faust – 2.Teil

Beitrag von Dornhai »

Vielen Dank für die tolle Sonntagslektüre!
Gruß Steffen
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jodel123
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Re: Patagonien auf eigene Faust – 2.Teil

Beitrag von jodel123 »

Auch von mir Dankeschön! Hab Fernweh! :)
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Bis denn...
Christian
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Fliegenfischer
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Re: Patagonien auf eigene Faust – 2.Teil

Beitrag von Fliegenfischer »

Ganz toll! Vielen dank :l:
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troutcontrol
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Re: Patagonien auf eigene Faust – 2.Teil

Beitrag von troutcontrol »

:+++: :+++: :+++:
There are no bad fly rods - only bad fly lines!

http://www.troutcontrol.de
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winny
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Re: Patagonien auf eigene Faust – 2.Teil

Beitrag von winny »

Moin !
Klasseeeeeeee :+++: :+++: :wink:
Gruß winny nur Der Köder im Wasser fängt
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Jahn
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Re: Patagonien auf eigene Faust – 2.Teil

Beitrag von Jahn »

Sabber....
büdde noch mehr :+++:
:wink:
ChristiJahn
PS : Das Leben ist zu kurz für schlechten Whisky
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S.v.d.3Larsen
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Re: Patagonien auf eigene Faust – 2.Teil

Beitrag von S.v.d.3Larsen »

Fantastisch ! :l:
The fish better give their soul to god because their ass is mine !
(mel krieger)
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axel f.
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Re: Patagonien auf eigene Faust – 2.Teil

Beitrag von axel f. »

Geil :+++:
the more i understand seatrout fishing, the shorter i cast!
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