Ich halte an einer Stelle wo die Spuren des Waldbrandes noch gut zu sehen sind, aber auch wie viel schon wieder nachgewachsen ist. Das ist einfach unglaublich, vor zwei Jahren sah es hier
so aus, nichts als Asche und verbrannter Boden. Und jetzt das hier, das ist überwältigend. Ich war im Hochsommer in Patagonien, die Temperaturen schwankten von -5 bis +35°, Schneefall, Graupelschauer und fast immer Sturm, wie muss es hier erst im Winter sein? Und da wächst innerhalb von 2 Jahren ein Garten aus dem Nichts. Alles was ich bisher schon gespürt habe kann man hier regelrecht greifen. Diese Kraft und der unbändige Lebenswille der Natur, die mich berührt, öffnet, sensibel macht, aber die mir auch unglaublich viel Kraft und Hoffnung gibt.
Es ist als würde die Natur sagen ‚Ihr könnt mich nicht besiegen, ihr könnt mich niederbrennen aber ich komme zurück, vielfältiger, frischer und stärker!’
Mehr noch als bei den Kletterern in El Chalten spüre ich hier Mut, Kraft und Lebenswillen der sich auf mich überträgt. Der Ort ist für mich so etwas wie ein Sinnbild dieser Reise.
Es kann fast kein Zufall sein dass ich am Ende der Reise hier bin. Am Anfang hätte ich das hier vielleicht gar nicht gesehen, wäre nicht dafür empfänglich gewesen. So wie die Busse mit den Reisegruppen und Tagesausflüglern die hinter mir durch fahren. Los, zum nächsten Aussichtspunkt und dann zum grossen Wasserfall, und die wahren Wunder sehen nur die wenigsten.
Auf dem Rückweg schaue ich noch einmal am Rio Serrano vorbei. Der Wind hat wieder um 180° gedreht. Na prima, da kann ich ja mit meiner Technik noch ein bischen fischen.
Ich fische die Strecke mehrmals ab, und mit gestern habe ich langsam alle meine Lachsfliegen durch. Tubeflies in allen Grössen und Farben, klassische Lachsfliegen, Bomber und Streamer, floating, intermediate, slow und fast sinking Tip, nicht ein Biss und ich weiss gar nicht mit was ich fischen soll. Die Lachse sind da und buckeln vor mir als würden sie sich über mich lustig machen.
Die letzten Spinnfischer packen zusammen und es wird ruhig, wunderschön und irgendwie vielversprechend. Da fällt mir das unglaublich Blau des Flusses im Abendlicht auf. Beim Seeforellenfischen nehme ich am liebsten Köder die in Richtung der Farbe des Wassers gehen. Ich habe da doch eine knallblaue Intruder, war zwar eigentlich für die Steelheads gedacht aber warum nicht?
Zwei oder drei Würfe, da stoppt die sichtbare Schnurspitze plötzlich. Ein leichter Bogen in der Schnur, schnell auf Spannung, nichts. Am Grund eingehängt? Kann doch fast nicht sein, zu tief und vorher nie passiert, das muss doch fast...
Zwei Würfe später ein eindeutiger Biss, bleibt aber nicht hängen.
Whow, habe ich jetzt die magische Fliege gefunden oder ist das eine kurze Beisszeit? Egal, auf jeden Fall geht da noch was!
Plötzlich ruft mich jemand, dem letzten Spinnfischer springt die Karre nicht an und er braucht Starthilfe. Nein, nicht jetzt! Aber ich kann ja schlecht sagen dass ich jetzt fischen muss und er schauen soll wie er heim kommt... Also raus aus dem Wasser, Starthilfe geben, springt zum Glück gleich an und schnell zurück.
Halt langsam, durchschnaufen, konzentrieren, sauber werfen, Schnur menden, keine Hektik sonst wird das nichts.
Bang! Mir reisst es die Rutenspitze Richtung Wasser, der hängt! Gibt’s doch gar nicht, ich fass es nicht, jetzt nichts falsch machen.
Der Fisch bockt erstmal da wo er gebissen hat ein bischen rum, dann gibt er Gas und zieht vol in die Hauptströmung. Rute und Bremse arbeiten aber wunderbar und ich habe ein gutes Gefühl dass der gut gehakt ist.
Dann steht er einfach mitten im Fluss in der Tiefe und macht gar nichts, und ich auf der anderen Seite mit durchgebogener Rute und gebe auch keinen Zentimeter nach, da haben sich zwei Sturköpfe gefunden. So geht das über Minuten, wenn jetzt jemand kommt denkt er ich habe einen Hänger und weiss nicht wie lösen.
Aber dann wird mein Gegenüber etwas unruhig, bockt ein bischen rum aber ich bringe ihn näher. Da kommt schon die Schlaufenverbindung zum Schusskopf. Also wie war der Plan? Die Schlaufenverbindung nicht in die Ringe ziehen sondern einfach rückwärts gehen, und bevor es richtig flach wird beschleunigen um den Fisch möglichst weit in’s Flache ziehen.
Aber bevor es flach wird gibt mein Gegenüber noch einmal Gas und zieht wieder bis in die Flussmitte. Aber das war noch ein kurzes Aufbäumen. Ich dirigiere ihn zu einer schön flachen Stelle am Ufer, ein Blick nach hinten, alles frei, rückwärts laufen und zack liegt der Lachs am Ufer.
Whow, ich bin ja gerne selbstkritisch; aber jetzt muss ich doch sagen, dafür dass ich das noch nie gemacht habe, habe ich es ziemlich gut hingekriegt.
Was für ein Fisch, eine wunderschöne Chinookdame, makellos und unheimlich massiv. Für den Fluss hier wohl eher ein kleiner Fisch aber für mich das Grösste! Und mein allererster Lachs, free solo and by fair means...
Der Haken ist gleich rausgefallen, schnell ein künstlerisch wertvolles Bild ‚Lachs mit Gänsekacke’ und zurück in ihr Element. Sie düst ab als wäre nichts gewesen, ich drücke auf den Auslöser als ich die Schwanzwurzel loslasse, aber auf dem Foto sind nur ein paar Wasserspritzer zu sehen, den Fisch kann man 5m weit weg nur noch erahnen.
Kein gutes Foto aber ein unglaublich gutes Gefühl. Und kein Foto und keine Trophäe kann das konservieren, das kann ich nur im Herzen bewahren.
Ich esse sehr gerne Fisch und Wildlachs ist etwas vom Feinsten. Aber nach diesem unglaublichen Tag und dem Respekt den mir die Natur gelehrt hat hätte ich den Fisch unmöglich töten können.
Ich wurde mehr als reich beschenkt und liege glücklich im Gras. Am Morgen noch der Depp, am Abend der König.
Und als sie im Hotel enttäuscht sind dass ich den Fisch nicht mitgebracht habe lächle ich nur...
zum 10. und letzten Teil