Neues vom Hecht - vom Faulpelz und Draufgänger

Gerade im Sommer macht es die Badesaison es einem nicht leicht seiner Leidenschaft zu fröhnen und daher sind oft andere Reviere und Zielfische angesagt. Gerade für die Binnenländer eine silberlose Zeit, aber auch andere Fische haben ihren Reiz.
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Waldmeister
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Neues vom Hecht - vom Faulpelz und Draufgänger

Beitrag von Waldmeister »

Moin,

habe eben diesen Artikel erhalten, den ich Euch nicht vorenthalten möchte. Ist zwar über den Hecht, aber irgendwie muss man ja die Zeit überbrücken.

Beste Grüße

Waldmeister

Vom Faulpelz zum Draufgänger - Hechte verhalten sich nicht immer
arttypisch


Gibt es in einem See so viele Hechte, dass das Nahrungsangebot knapp ist, ist es ein Vorteil, wenn sich nicht alle Individuen arttypisch
verhalten. Die Pioniere unter den Hechten haben genauso gute Chancen wir ihre konservativen Artgenossen.

In der Berufswelt gibt es viele Strategien, um zum Ziel zu gelangen. Während sich die einen durch Beständigkeit behaupten, trumpfen andere mit ihrem Charisma auf. Bis jetzt ist weitgehend ungeklärt, ob auch
bei niederen Wirbeltieren, wie Fischen, unterschiedliche Verhaltensweisen innerhalb einer Art vergleichbare Folgen für das Überleben und den Fortpflanzungserfolg haben. Forscher am Leibniz-
Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben nun herausgefunden, dass der Raubfisch Hecht in der Lage ist, bei mangelndem Nahrungsangebot alte Gewohnheiten aufzugeben. Ein Team von Freilandfischökologen beobachtete drei unterschiedliche
Verhaltenstypen innerhalb einer Hechtpopulation in einem Brandenburger See. Sowohl "faules" Verhalten als auch eine "draufgängerische" Lebensweise führten zu ähnlichem Körperwachstum der einzelnen Individuen. Veränderliche Lebensweisen sind ein Schlüsselprinzip, mit dem Fische auf steigende innerartliche Konkurrenz reagieren und so ihr Überleben sichern.

Normalerweise ist der Hecht (Esox lucius L.) ein geduldiger "Faulpelz". Als Lauerräuber verbringt er seine Zeit am liebsten in von Schilf bewachsenen Uferzonen und wartet, bis ein Beutefisch vorbeikommt. Große Schwimmaktivitäten im offenen Gewässer meidet er
für gewöhnlich, so die Lehrbuchmeinung. In dem 25 Hektar umfassenden "Kleiner Döllnsee" im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin hat eine Arbeitsgruppe um den Juniorprofessor Robert Arlinghaus nun zwei weitere, völlig andere Charaktere in ungewöhnlichen Lebensräumen beobachtet.

Ermöglicht wurde die Untersuchung durch den Einsatz moderner Fischortungstechnologie. Insgesamt 20 Tiere wurde mit Peilsendern ausgestattet und ihre Position im Gewässer wiederholt über ein GPS- Gerät bestimmt. Über den Zeitraum von drei Monaten wurde jeder "Proband" einmal in der Woche alle drei Stunden je Tag mindestens einmal geortet. Die Aufenthaltsplätze geben Aufschluss über die Betriebsamkeit, Aktivität und Wahl der Lebensräume: Je öfter die Jäger ihren Standpunkt verändern und je weiter sie sich auf den offenen See hinauswagen, umso aktiver und risikofreudiger sind sie. Denn Hechte, die ihren Unterschlupf im Uferbereich verlassen, laufen Gefahr, kannibalistischen Attacken anderer Konkurrenten zum Opfer zu fallen.

Die Forscher konnten in der natürlichen Hechtpopulation eine erstaunliche Vielfalt von bisher unbekannten Verhaltenstypen feststellen: Der klassische "Schilf-Typ" verbringt die meiste Zeit bewegungslos im Röhricht.
Ein aktiverer Artgenosse ist der "Unterwasserpflanzentyp". Dieser hält sich in tieferen Ufergebieten auf, bleibt aber häufig in der Nähe von Unterwasserpflanzenbeständen, die Schutz- und Jagdrevier sind.

Gänzlich abweichende Aktionsmuster zeigt der "Opportunist". Vertreter dieser Gruppe wagen sich zur Jagd auf das offene Wasser, nutzen aber meist die sichere Nacht. Die letztgenannte Strategie wurde vermehrt im späteren Verlauf des Jahres an den Tag gelegt, als die Verfügbarkeit von Nahrung im Untersuchungsgewässer immer stärker abnahm. Als regsamere Räuber verbrauchen die Opportunisten im Vergleich zu ihren Mitstreitern aber die meiste Energie. Stellt diese Strategie also ein Nachteil für den Hinterhaltsräuber Hecht dar? Hat er doch in der Entwicklungsgeschichte eine Reihe von Merkmalen ausgebildet, die dem Fisch zwar explosive Attacken, aber kein effizientes Dauerschwimmen ermöglichen.

Die IGB-Wissenschaftler konnten in ihrer Studie überraschender Weise feststellen, dass auch eine radikale Änderung der typischen Lebensweise zu mehr Aktivität insgesamt keine Nachteile für die anpassungswilligen Individuen nach sich zog. Ein für die aktiveren
Tiere gesteigerter Energiebedarf bei der Jagd wird vermutlich durch einen höheren Beuteerfolg wieder wettgemacht. Insgesamt zeigen die Tiere aller Verhaltenstypen identische Wachstumsleistungen. Das ist von wesentlicher Bedeutung, da die Körperlänge bei Hechten eng mit der Überlebenswahrscheinlichkeit und der Fruchtbarkeit zusammenhängt. Die Antwort der Hechte auf knappe Ressourcen ist damit klar: Vielfalt statt Einfalt - ein cleveres Prinzip, nicht nur für Fische.
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Polar-Magnus
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Beitrag von Polar-Magnus »

Moin.

Interessante Studie in jedem Fall, vielen Dank :+++: .

Was mir hier leider so ein bischen fehlt ist die Größe der 20 markierten Fische. Und zwar nicht nur
die Größe an sich, sondern auch, ob alle Tiere etwa gleich groß waren...

Unterschiedliche Verhaltensweisen bei Individien unterschiedlicher Größe (bzw. Alters) würde ich bei vielen
Fischarten nämlich eigentlich erwarten ;) .

Da es hier aber nicht erwähnt ist, unterstellen wir mal, dass die Größenverteilung bei allen 3 "Charakteren" etwa gleich ist.

Gruß,

Ingo :wink:
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angeliter
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Beitrag von angeliter »

Hier die quelle dieser pressemitteilung:
http://www.idw-online.de/pages/de/news354821

die gesamtstudie gibt's hier: http://www.adaptfish.igb-berlin.de/
titel/autoren der studie: Kobler, A., T. Klefoth, T. Mehner, and R. Arlinghaus. 2009. Coexistence of behavioural types in an aquatic top predator: a response to resource limitation?Oecologia. 161:837-847.
da dürfte deine frage beantwortet werden, ingo.

außerdem noch viele andere interessante artikel zum downloaden!

ach ja: einen der in der studie verwursteten hechte hab ich mit nem jerk gefangen - ich glaube es war die hechtdame mit dem schönen namen 'Transmitter-Frequenz 150.219 / 2'. 8)
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Polar-Magnus
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Beitrag von Polar-Magnus »

Besten Dank :+++: .

Habe mich mal durchgeklickt ohne die Studie restlos durchzulesen.

Demnach handelt es sich also um Hechte von Mitte 40 cm bis Mitte 70 cm.

Gruß,

Ingo :wink:
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Mefo-Sucher
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Beitrag von Mefo-Sucher »

Das Verhalten von Hechten ist wirklich sehr interessant. Danke für den Bericht.
Gruß Mefo-Sucher :-D
:::::::::::::::::::::
... aus Freude am Fisch.
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